REGULA wacht gestärkt auf und bleibt im Bett liegen. -Heute ist Sonntag ich habe noch Zeit. Gestern, was war gestern? Ach ja Karl war da. Vorbei, es ist vorbei.- Sie dreht sich auf den Rücken und starrt auf die weisse Decke. -Irgendwann muss ich hier wieder raus, muss mich dem Leben stellen.-Sie seufzt bei diesem Gedanken auf. Hier ist sie nie alleine, immer hat sie jemandem zu reden. Die Ärzte und Psychiater sind gut mit ihr. -Warum soll sie wieder in ihr Leben zurück wenn es doch so schön ist einfach versorgt zu werden?- Sie steht auf und zieht sich an. Heute gibt es ein Brunchbuffet, sie hat keinen Hunger doch es macht ihr Freude so eine grosse Auswahl an Essen zu sehen. Ihr Engel ist schon da. Seit einer Woche sitzen sie am selben Tisch. -Ich habe noch nie nach seinem Namen gefragt.-

„Guten Morgen, gut geschlafen?“

„Ja und sie?“

„Sehr gut, soll ich uns einen Kaffee holen?“

„Gehen wir zusammen.“

Sie holen sich etwas zu Essen und zu Trinken und essen schweigend, beide. Es ist schön mit jemandem am Tisch zu sitzen bei dem man das Gefühl hat dieser Mensch versteht mich. Zum ersten Mal denkt Regula

–Warum er wohl hier ist?- „Darf ich ihnen eine Frage stellen?“ Er schaut sie aufmunternd an. „Warum sind sie hier?“

Er stellt die Tasse hin, wischt sich den Mund ab und sagt: „Ich wollte mich umbringen. Nun bin ich zu meinem Schutz hier bis die da denken ich sei keine Gefahr mehr für mich selber.“

„Oh, ich wollte…….

„Kein Problem, ich habe es überwunden. Sie denken ich kann schon bald wieder ins Leben zurück.“

„Sie lassen mich alleine!“ rutscht es der Frau raus.

„Das Leben geht weiter, meine Liebe, stehen bleiben schadet nur. Wagen sie doch etwas. Sie sind so eine hübsche Frau. Sie haben das Leben noch vor sich. Was wollen sie hier drinnen vergammeln. Packen sie es an, gehen sie los. Machen sie Schritte zu sich selbst. Sie werden sehen es geht.“

„Ich soll die Anstalt verlassen?“

„Ja wollen sie denn für immer bleiben?“ Sie denkt nach dann schüttelt sie den Kopf. „Für immer, was ist schon für immer?“

„Sehen sie, so gefallen sie mir viel besser. Es geht weiter, das Leben ruft uns. Lassen wir es uns rufen, noch eine kleine Weile. Dann folgen wir Beide ihm nach.“

„Wir beide?“

„Ja denken Sie nur weil wir da draussen sind müssen wir unsere Treffen aufgeben?“

„Sie würden mich noch sehen wollen wenn ich aus der Anstalt bin?“

„Sicher, liebe Frau, sie unterschätzen sich da gewaltig. Es ist mir eine Ehre mit so einer schönen Frau gesehen zu werden.“

„Hören sie auf, ich bin alt!“

„Was bin ich denn wenn sie alt sind? Dann bin ich ein Greis!“

„Ich habe sie nie gefragt, was sie vorher gemacht haben?“

„Ich hatte eine Import-Export Firma. Bin aber schon seit ein paar Jahren pensioniert. Und sie, was haben sie in ihrem Leben vorher gemacht?“

„Ich bin Pysiotherapeutin, habe es aufgegeben. Mein Mann meinte ich müsste keiner Arbeit nachgehen, das grosse Haus sei Arbeit genug.“

„Und hatte er Recht, war es genug?“

Sie schüttelt den Kopf, zu sehr muss sie an das Leben da draussen denken. Es ist zu früh, sie will doch noch hier bleiben. Keine Verantwortung für sich selbst übernehmen. Einfach nur sein, dahin leben jeden Tag so wie er kommt.

„Sie sind eine starke Frau, wissen sie das?“

Sie verneint.

„Und ob sie das sind. Das Leben ist vor ihnen, packen sie es an meine Liebe. Der Spass und die Freude warten auf sie. Entscheiden sie sich einfach für das was sie wollen. Sie müssen nur Entscheiden, dann geht es weiter. Ich habe mich entschieden. Ich will das bisschen Leben das ich noch vor mir habe geniessen. Es gibt noch so viel Schönes zu sehen, zu erleben. Wachen sie auf liebe Frau. Dies hier ist keine Endstation!“

-So hat er noch nie mit ihr gesprochen im Grunde hat er ja Recht. Sie vermisst die Kinder und Karl. Ja sie vermisst ihn. Wie soll sie das Chaos in ihrem Leben nur bewältigen. –

„Meine Liebe ich wünsche ihnen einen schönen Vormittag und bis zum Mittagessen“ er verabschiedet sich.

Sie bleibt noch eine ganze Weile sitzen. Was er ihr gesagt hat hinterlässt Spuren. -Ist sie schon wieder so weit? Kann sie wieder zurück?- Sie schüttelt energisch den Kopf. –Nein auf keinen Fall sie braucht noch Zeit. Die Schwester kommt und sagt:

„Es ist Besuch für sie da, Frau Scherrer.“

„Besuch? Wer?“

„Eine ältere Dame.“

-Das ist sicher Claudia- denkt sie und steht auf. Wirklich Claudia erwartet sie auf der Bank draussen in der Sonne. Sie sieht Regula kommen und nimmt sie herzhaft in den Arm.

„Hallo du, schon eine Weile her seit dem letzten Mal.“ Sie umarmen sich gegenseitig.

„Schön das du da bist, freut mich.“

„Störe ich dich?“

„Nein, nein.“

„Ich war gerade in der Gegend und da musste ich an dich denken und bin einfach gekommen. Wie geht es dir?“

Regula fühlt keine Bedrohung in diesen Worten die ja schon von so vielen Menschen an sie gerichtet worden sind. Nein, sie fühlt sich trotz den Worten wohl. –Ein Zeichen, dass es mir besser geht?- Die Sonne bringt schon etwas Wärme auf und es ist so richtig schön und angenehm draussen zu sitzen.

„Am Sonntag ist immer ein Kuchenbuffet den ganzen Tag sollen wir?“

„Gerne da sage ich auf keinen Fall nein, gehen wir!“ Die Cafeteria ist fast voll. Jeder spricht mit jedem. Regula sucht ihren Begleiter. Keine Spur von ihm.

„Nehmen wir uns ein Tablett und setzen uns wieder in die Sonne“ meint Claudia und hat schon eines in der Hand. Die Torten sehen lecker aus. Jede nimmt sich ein Stück und Kaffee dazu.

„Ist echt noch warm“ beginnt Claudia das Gespräch unverfänglich.

Regula nickt und nach einer kurzen Pause: „Danke, dass du gekommen bist.“

„Gerne, du hast dich etwas verändert“ Claudia schaut ihr gegenüber aufmerksam an. Sie sieht immer noch blass und durchscheinend aus. Verstrahlt etwas mehr Ruhe.

„Ich fühle mich wohl hier. Keine Verantwortung die auf mich wartet, kein Kochen, kein ich muss noch, Claudia es ist für mich hier der richtige Ort.“

„Bist du dir bewusst, dass dies kaum ewig dauern kann?“

„Ja, sicher höre ich heute schon zum zweiten Mal doch jetzt ist es so.“

„Machst du dir manchmal Gedanken wie es sein könnte da draussen für dich? Ich meine, was brauchst du damit es dir gut geht?“

„Wenig Claudia, wenig, jetzt bin ich mal hier.“

„Ist immer schwer im Leben sich für etwas zu entscheiden ja das verstehe ich gut. Und es ist noch einmal Schwerer sich für sich zu entscheiden. Einfach leben zu können, ohne diesen Druck zu spüren, man muss funktionieren, ach“ sie seufzt „Das verstehe ich noch besser!“

„Dann sind wir ja schon zwei.“

„Sind wir und sonst was gibt es Neues?“

„Ich habe einen älteren netten Herrn kennen gelernt. Er tut mir einfach gut.“

„Schön, dass freut mich echt. Kann ich dir irgendwie helfen aus dem Chaos in deinem Leben einen Weg zu finden?“

„Helfen, kaum, ich weiss das ich das alleine durchstehen muss.“

„Wer sagt das? Keiner ist alleine wenn er versteht um sich zu schauen und wahrzunehmen was das Leben ihm denn so bietet. Bist du jetzt einverstanden, dass dich das Leben hierher versetzt hat. Das war ja keine Entscheidung von dir?“

„Ich habe es akzeptiert, nein ich muss sagen, ich bin froh das es so gekommen ist, ehrlich! So habe ich Zeit bekommen über alles nachzudenken und bekomme jede erdenkliche professionelle Hilfe.“

„Überlege dir einfach, was du brauchst, einfach du Regula. Du bist eine schöne Frau.“ Die Angesprochene lacht laut heraus und unterbrich „Du auch! Was ist wohl heute los?“

„Wie meinst du das?“

„Mein älterer Begleiter meinte heute dasselbe zu mir, lustig gell!“

„Ist einfach die Wahrheit darum hörst du es zweimal. Und es ist immer noch schwer für dich es anzunehmen oder täusche ich mich da?“

„Ich bin alt.“

„Alt, schau mich an, meine weissen Haare machen mich fast um zehn Jahre älter als ich bin. Ich bin so alt wie ich mich fühle genauso wie du.“

„Dann bin ich uralt wenn es ums fühlen geht.“

„Regula du hast so viel erreicht in deinem Leben. Steh auf und mach was aus dem was du hast!“

„Was habe ich denn schon?“

„Als allerbestes hast du deine Gesundheit, dann dein Wissen in der Physiotherapie, dann kannst du gut kochen, soll ich weiter aufzählen?“

„Das sind alles Banalitäten, ich kann nur so einfaches und normales.“

„Was denkst du auf welches Können fast alles aufgebaut ist? Doch nur auf Normalem. Wenn du es so sagst, aussergewöhnliches, dies ist eben seltener und es wird auch für das tägliche Leben kaum gebraucht.“

„Ach Claudia ich lasse mir einfach noch Zeit.“

„Kein Mensch spricht dagegen. Ich wollte dich nur einwenig aufrütteln, dass es noch ein anderes Leben geben könnte. So in etwa war mein Gedanke.“

„Das hast du auf alle Fälle erreicht. Meine Therapeutin hat schon darüber gesprochen mit mir, dann mein Begleiter und nun noch du. Wenn man in seinem Leben drei Mal das Gleiche erfährt, sollte man es tun, oder?“

„Das sind meine Worte!“

„Ich werde mir Gedanken machen was ich will und was mir gut tut, versprochen Claudia.“

„Schön.“

„Gehen wir noch einwenig im Park spazieren?“

„Ja eine halbe Stunde habe ich noch Zeit, komm gehen wir.“

Die beiden Frauen schlendern los Richtung Park. Die Psychiatrie hat uralte riesengrosse Bäume im Park. Man fühlt sich da so richtig geborgen und wohl. Die Beiden gehen langsam und schweigend. Sie lassen den Park auf sich wirken.

MONIKA

Die Beziehung war durch diese eine Nacht für Monika lebenswerter geworden! Ihre Geduld hatte aufs Neue Nahrung bekommen. Die Auflösung der Verlobung war für sie wirklich nur ein Hilferuf und sie hoffte inständig, dass Thomas ihn hörte. Thomas gibt sich wirklich Mühe. Auf einmal hat er jeden Tag Zeit um vorbei zu schauen. Seine Aufmerksamkeiten gehen so lange bis er merkt, ich habe sie wieder und dann kehrt er schnell zum Alten zurück. Das sie die Verlobung gelöst hat war für ihn nie etwas Ernstes. Er trägt den Ring immer noch nach wie vor. Er denkt schon manchmal an die Nacht mit Monika die auch für ihn wunderschön war und doch sträubt sich alles in ihm es zu wiederholen. Es könnte zu viel Nähe entstehen, sie könnte zu wichtig werden für ihn und dann wird sie ihm weh tun! Dem beugt er mit dem Abstand immer mal wieder vor! Moniika steht in der Küche und kocht. Eine Lieblingsbeschäftigung für sie. Es ist ihr Geburtstag und sie hat für den Abend ein paar Gäste eingeladen. Thomas kommt extra zum Mittagessen. Es geht ihr gut. Das Essen ist vorbei, die Kinder wieder in der Schule und Thomas uns sie sitzen auf der Terrasse beim Kaffee und Kuchen. So gefällt es der Frau.

„Wie sieht es nun aus für den Abend bei dir?“

Thomas isst zu Ende uns antwortet dann. „Darum bin ich ja am Mittag gekommen. Ich habe noch eine Versammlung des Vereins und werde somit dem Abend fern bleiben.“

Monika ist schockiert, sie hat Geburtstag, sie hat eine Einladung und ihr Verlobter hat etwas Wichtigeres vor! Ihr fehlen die Worte, was soll sie darauf nur antworten?

„Du kannst ja nach der Versammlung noch kommen?“

„Ja mal sehen“ gibt er ihr einen Schimmer von Hoffnung. Hoffnung die sie nun den ganzen Tag in ihrem Herzen tragen wird und die den ganzen Tag über sie bestimmt.

„Danke fürs Essen ich muss los. Tschau“ er gibt ihr einen zärtlichen Kuss und weg ist er.

Monika versucht am Nachmittag die Gedanken im Zaum zu halten und sich mit den Vorbereitungen für den Abend zu beschäftigen. Das Telefon klingelt.

„Hallo ja da ist Monika“ meldet sie sich.

„Hallo hier ist Claudia ist es für dich ok wenn ich Esther noch mitbringe?“

„Ja sicher es gibt Pizza.“

Au fein ich freue mich, dann bis bald!“

„Ja bis bald.“

Noch zwei Stunden bis die Gäste kommen, noch zwei Stunden.“ Sie geht raus und fängt an den Hühnerstall auszumisten. Sie hat ihn fast ohne fremde Hilfe selber gebaut und ist sehr stolz auf ihr Werk. Die zwei Stunden gehen natürlich vorbei die ersten Gäste kommen. Eine handvoll Leute sitzen bei ihr am Esstisch es wird geredet und gelacht gegessen und getrunken. Für Monika kommt alles wie durch einen Nebel, in Gedanken ist sie weit weg. –Sogar mit seiner Abwesenheit kann er ihr den Abend verderben! Sie seuft und Claudia schaut sie an.

„Monka, wo bist du?“ sie sind nun nur noch zu dritt und in der kleinen Runde getraut sich die Feiernde sich auszusprechen.

„Thomas hat was anderes das Wichtiger ist.“  Es ist gesagt. Für einen Moment herrscht Schweigen. Bevor jemand etwas erwidern kann läutet es an der Türe.

„Vielleicht“ Claudia lächelt sie an.

„Er klingelt nie“ Monika geht öffnen und kommt mit Ernst zurück. Zu Claudia gewendet sagt sie: „du hättest mir sagen können das er noch kommt!“

„Er war unsicher ob er noch mag nach dem Arbeiten. Nun ist er da, siehst du, er ist da und Thomas?“ Sie lässt die Frage in der Luft stehen. Ernst gesellt sich zu den drei Frauen und schon wird über das Leben diskutiert.

„Woher kennst du Monika?“ fragt ihn Esther.

„Durch Claudia.“

„Und warum kennst du Claudia?“

Ernst lächelt Claudia an „willst du es ihr sagen?“

Claudia wendet sich der Fragenden zu und sagt. „Ernst war mein Mann!“

Esther holt kurz Luft. „Und ihr redet miteinander wie wenn ihr Freunde wäret.“

„Sind wir auch!“ Beide lachen los, sie haben zugleich eine Antwort gegeben.

Esther denkt nun für sich- wenn sie es geschafft haben dann ist noch Hoffnung für mich und Martin.-

„Wann kommt den Martin aus Holland zurück?“ holt sie Monika wieder in die Runde.

„In einer Woche können wir das Thema wechseln.“

„Ja lassen wir doch die Männer weg und reden über was Sinnvolleres!“

„He du“ er gibt seiner Ex einen sanften Knuff in die Seite „ich bin noch da!“

Die Runde schweift ab ins Witzeln und ein Gelächter nach dem Anderen erhellt die Küche. Bald schon verabschiedet sich Ernst wieder und die drei Frauen sind wieder unter sich. Monika fällt etwas in sich zusammen.

„Was ist?“ Claudia rückt etwas näher.

„Ach Ernst hat mir nun gezeigt, Thomas hätte nach der Versammlung ohne Probleme noch zu mir kommen können. Dieses immer im Stich gelassen werden!“

„Ich muss es dir sagen Monika, du willst es sicher kaum hören, ohne Opfer kein Täter! Warum willst du leiden, warum nur?“

„Es hat mit meiner Kindheit zu tun.“

„Immer wird alles auf die Kindheit geschoben“ ereifert sich nun Esther „wir leben doch jetzt!“

„Mein Lehrer sagte uns in der Ausbildung: wir kommen auf die Welt und werden erzogen bis ca zwanzig. Dann haben wir ein Leben lang Zeit es wieder auszubessern.“ Zu Monika gewendet „Magst du es Esther erzählen?“

Keiner spricht! Nach einer Weile beginnt das Geburtstagskind zu erzählen.

„Es ist schon lange her. Ich glaube ich war so ungefähr fünf als mich mein Onkel vergewaltigt hat.“

Die Aussage hängt schwer in der Luft. Man kann das atmen der drei am Tisch sitzenden hören. Man kann unausgesprochene Gedanken fühlen.

„Ich habe schon viel daran gearbeitet, nur mein Selbstwertgefühl ist einfach immer noch im Keller. Da ich ja gut und gerne ein paar Kilos zuviel habe, was bekanntlich bei den Männern schlecht ankommt, fühle ich mich so etwas von Minderwertig. Ich kämpfe und kämpfe!“ Tränen kommen und sie hört auf zu reden. Claudia könnte viel sagen, sie schweigt. Der Moment ist jetzt so wie er ist wichtig. Keine Ratschläge, kein besser Wissen. Monika wird es früher oder später selber merken. Die Zeit ist der beste Freund dafür!

ESTHER^S Tage vergehen im Flug. Sie geniesst ihre Freiheit in vollen Zügen. Die Arbeit mit den alten Menschen erfüllt sie, Lisa geht es gut. Noch zwei Tage und Martin kommt heim. Sie freut sich auf ihn! Komisch und doch ist es so! Er ist der Vater von Lisa und sie haben wirklich schöne Zeiten zusammen gehabt. Sie hofft, dass die Freundschaft, die durch die Distanz entstanden ist auch hält wenn er da ist. Wenn er in der Nähe ist. Sie räumt zu Hause auf, richtet das Büro für ihn her. Er soll dort schlafen bis alles geregelt ist. Einerseits macht es ihr Angst ihn so in der Nähe zu haben. Was wird sein wenn er oder sie mal einen Partner haben? Andererseits gibt es ihr auch die Freiheit mal weg zu gehen, da er ja dann auf Lisa aufpasst. Sie will noch so viel erledigen und schon sind die zwei Tage vorbei und sie steht mit Lisa am Flughafen und wartet auf Martin. Der Flug hat ein paar Minuten Verspätung. Lisa ist aufgekratzt, kann es kaum erwarten. Esther ist ruhig und distanziert. Sie lässt sich überraschen, mal sehen wie es wird.

„Mami, da ist Daddy!“ sie reisst sich von der Hand ihrer Mutter los und rennt ihrem heissgeliebten Daddy entgegen! Er stellt den Koffer auf den Boden und fängt sie auf! Eng schmiegt sich das Mädchen an ihren so vermissten Daddy und er umarmt sie, als wenn sie der letzte Mensch auf der Welt ist! Esther kommt langsam näher. Er wirft ihr einen Blick zu und sagt: „Hallo du.“

„Auch hallo“ sie ist froh, er wahrt Distanz. „Ich habe das Auto in dieser Richtung.“

Er stellt Lisa auf den Boden, nimmt den Koffer auf und gemeinsam gehen sie los. Lisa will alles wissen und fragt ein Loch in den Bauch. Die Erwachsenen habe keine Zeit sich miteinander zu unterhalten. Es ist gut so! Zu Hause wird ausgepackt, Daddy hat eine Menge Geschenke für sein Kind und auch für seine Frau.

„Ich hab dir auch etwas mitgebracht“ er hält es ihr hin.

„Mir?“ erstaunt nimmt sie das Paket in Empfang und reisst das Papier auf. Ein goldener Kerzenständer mit einer goldenen Kerze kommt zum Vorschein. Gold ist die Lieblingsfarbe von Esther!

„Danke, Martin, er ist wunderschön. Ich geh und schau nach dem Essen, ihr Beide könnt ja den Tisch decken.“ Sie ist gerührt und muss sich sammlen. Martin merkt es und hat innerlich Freude. Er hat sie einfach immer noch gern! Sollte es denn wirklich keine Möglichkeit mehr für sie beide geben? Lisa ist im Bett die Erwachsenen sind nun mit sich alleine. Martin hat es unterlassen den Fernseher anzustellen, er möchte reden. Esther ist etwas verwirrt, sie dachte wirklich sie kann das, sie hat das im Griff. Jetzt wo sie zusammen in ihrem gemeinsamen Wohnzimmer sitzen ist sie unsicher geworden. Sie hat das Geschenk auf den Tisch gestellt und die Kerze brennt mit einer wunderschönen Flamme vor sich hin. Martin räuspert sich „und, wie gedenkst du das es mit uns weiter geht?“

„Was hast du dir überlegt?“ Er steht auf und holt aus dem Koffer ein paar Papiere.

„Ich habe ein paar Pläne gemacht wie wir die 2-Zimmer Wohnung in das bestehende Haus integrieren könnten.“ Er bereitet die Papiere auf dem Tisch aus. Esther stellt sich neben ihn. Dies ist ein sicheres Gebiet. Im zusammen etwas Bauen sind sie ein unschlagbares Team. Sie erörtern, schlagen dies oder das vor, ändern und erneuern und am Schluss ist eine kleine aber praktische 2-Zimmer Wohnung auf dem Papier.

„Was denkst du, wie lange es zum bauen braucht?“

„Wir könnten die Hypothek etwas erhöhen und damit den Anfang machen. So das Badezimmer und die Küche mal damit bezahlen und den Rest mache ich dann alleine.“

„Ich kann dir helfen.“ Sie stehen dicht nebeneinander und auf einmal wird sich dies Esther bewusst. Er zieht sie immer noch an, sie macht automatisch einen Schritt nach hinten. Er bemerkt es und nimmt ihre Hand.

„Esther, ist es wirklich das was du willst?“

Sie entzieht im die Hand und schaut ihn an. „Und du?“

„Ich habe zuerst gefragt, ich bin unsicher, Esther sehr unsicher.“ Sagt er dann doch. Martin äussert wie er sich fühlt? Das ist ja ganz was Neues!

„Ich bin auch unsicher Martin und andererseits denke ich schon es wäre das Beste.“

„Hast du einen anderen kennen gelernt?“

„Ja, habe ich.“

Sein Gesichtsausdruck spricht mehr wie tausend Worte!

„Nur kennen gelernt, Martin.“

„Und liebst du ihn?“

„Nein, was für eine Frage! Wir haben uns nur ein paar Mal gesehen, er ist nett und aufmerksam.“

„Nett und aufmerksam“ wiederholt er spöttisch. Die Stimmung ist weg!

„Ich werde schlafen gehen, ich habe dir alles im Büro gerichtet. Wir sehen uns morgen und dann können wir weiter reden.“

„Es tut mir leid Esther, ich bin einfach eifersüchtig, das ist alles.“

„Du warst in deinem Leben noch nie eifersüchtig, warum jetzt?“

„Ich bin bereit alles zu tun, damit wir noch einmal von vorne anfangen könnten. Ich möchte unsere Beziehung retten. Wenn du willst komme ich auch mit in eine Therapie. Egal was du willst, Esther, bitte lass es uns noch einmal versuchen!“ Überrumpelt steht sie da! Das hatte sie nun zu allerletzt erwartet!

„Lass mir etwas Zeit.“

„Ja sicher, nimm dir Zeit, ich kann warten.“

Sie verlässt das Zimmer aufgewühlt und unsicher. Was ist denn nun noch richtig in ihrem Leben? Martin will sie immer noch und sie, was will sie? Warum ist es immer am Schwierigsten für sich selbst eine Entscheidung zu treffen. Bei allen anderen sieht man doch sofort was gut wäre und bei sich?

GEORG hat nur Absagen bekommen. Sicher, die Leute sind sehr angetan von seinem Auftreten und doch ist sein Alter ein Hindernis. Es zermürbt ihn dieses Bewerben! Nun hat ihm seine Firma ein Ultimatum gestellt, bis ende August muss er gehen. Bis dann muss alles aufgearbeitet sein. Er sitzt im Büro und ordnet seine Mails. Claudia, die hat er ganz vergessen! Er macht ihre Mails auf und ein Lächeln erscheint auf seinen Lippen. So etwas von chaotisch ist für ihn neu! Er stellt mal alles provisorisch zusammen und schreibt ihr dann ein sms.

„Habe morgen abend zeit um 19h bei mir lg georg“

Er muss keine Minute warten hat er schon die Antwort „ok“

Er druckt alles noch aus, er hat die Erfahrung gemacht, wenn man es in der Hand hält dann geht es leichter. Erst vier Uhr! -Ich mach Feierabend- denkt er und steht auf. Er schaut auf den Pult und einwenig Melancholie stellt sich ein. Dieser Abschnitt seines Lebens ist nun auch schon bald vorbei. Er schüttelt den Kopf und geht. Beim hinauslaufen klingelt sein Handy. Er meldet sich, eine unbekannte Männerstimme tönt aus dem Phone.

„Guten Abend Herr Müller. Störe ich sie? Hier ist Herr Bernhard von den Kraftwerken.“

„Guten Abend Herr Bernhard, was kann ich für sie tun?“

„Sie haben sich vor einem halben Jahr mal bei uns beworben?“

„Ja?“

„Nun ist eine neue Stelle frei geworden und wir würden gerne mit ihnen darüber reden. Sind sie noch frei?“

„Ähm, ja, bin ich. Um welche Stelle geht es denn?“

„Wir suchen einen Leiter für unser Rechnungswesen wären sie eventuell daran interessiert?“

„Sicher“ unvorstellbar, jetzt öffnet sich auf einmal eine Türe?

„Gut, dann wie wäre es übermorgen um 10h bei mir im Büro?“

„Gerne Herr Bernhard, ich werde da sein.“

„Gut, dann danke ich ihnen für das Gespräch und wir sehen uns am Freitag“

-Jetzt erst recht ein Bier- denkt Georg und geht beschwingten Schrittes aus dem Gebäude. Jeder Mensch definiert sich mehr oder weniger mit dem was er tut. Keine Arbeit wenig Möglichkeit sich zu definieren. Nun wurde Georg angefragt, das hebt sein Selbstwertgefühl um einiges!

Claudia steht pünklich um 19h vor der Haustüre von Georg. Auf ihr klingeln öffnet er ihr die Türe. Sie sitzen vor dem Computer im Büro und besprechen die Bewerbung von Claudia.

„Es muss schon sauber daher kommen.“

„Darum habe ich ja dich gefragt“ lächelt sie ihn an.

Er ist zu beschäftigt um ihr Lächeln zu bemerkten. Er erklärt, fragt und nach zwei Stunden steht die Bewerbung.

„So jetzt sende ich sie dir noch per Mail und du musst es nur noch drucken. Ach nein, besser ich gebe dir den Stick mit. Du kopierst alles auf deinen Pc und dann kannst du es drucken.“

„Ich habe meinen Pc dabei.“

„Gut dann können wir es auch gleich hier machen, hol ihn.“

Sie kopieren die Daten und Claudia schliesst den Leptop zu.

„Wie kann ich dir danken?“

„Hab ich gerne gemacht, lass nur. Ich kann mich am Freitag vorstellen! Stell dir vor sie haben mich angefragt!“

„Wauw so toll! Das mag ich dir aber gönnen!“ strahlt ihn Claudia an. Es tut gut die Freude zu teilen, sie wird gleich grösser!

„Dann werde ich dir am Freitag mal die Daumen drücken!“

„Danke, komm wir gehen noch auf ein Bier.“ Er holt die Jacke und die Zigaretten und zusammen gehen sie noch in die Bar.

„Claudia, hast du bemerkt wie dich der Mann dort an der Bar angestarrt hat?“

„Welcher?“

„Du bist wirklich blind!“

„Immer wenn ich mit dir weg gehe dann flirten scheinbar andere mit mir!“

„Du musst anfangen zu flirten, glaub mir, das gibt enorme Energie! Schau mich an! Ich habe so viel über Frauen gelesen, kann soviel abschätzen! Schau dort hin!“ Er zeigt ihr diskret in die Richtung eines Tisches.

„Siehst du wie sie seine Hand hält um sich Feuer für ihre Zigarette zu nehmen?“

Claudia zuckt mit den Schultern.

„Gib mir mal deine Hand“ sagts und nimmt sie. „Schau, wenn ich nun deine Hand so halte“ er hält sie ganz leicht „oder wenn ich sie so halte“ er drückt zu. Ein Blitz zuckt durch den Körper von Claudia und erschrocken zieht sie ihre Hand zurück!

„Gell, ist ein Unterschied?“

„Ja klar, ich habe mit dem Rauchen wieder aufgehört.“

„Ist ja nur eines von vielen Zeichen.“

Claudia muss sich sehr beherrschen, warum hat die Berührung von ihm sie so erschüttert? Da die Zeit doch schon fortgeschritten ist treten sie den Heimweg an.

„Noch einmal danke, Georg, wegen der Bewerbung.“

Er küsst sie leicht auf die Wangen und sagt: „Ist gerne geschehen, komm gut heim.“

Sie kutschiert mit ihrem Cabrio sehr langsam heim. Die Erkenntnis macht sich so langsam in ihr breit, sie könnte mehr als nur Freundschaft für Georg empfinden!

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