Für Esther ist vieles viel einfacher geworden seit Martin in Holland ist. Sie ist freier, kann ihre Zeit für sich nutzen und einteilen. Lisa spielt viel mit Antonia und ist selten zu Hause. Darum kann sie im Haushalt alles erledigen auch Sachen die schon lange liegen geblieben sind finden nun den Weg und sie kann aufräumen. Es kommt auch mehr Besuch, da ja alle wissen sie ist alleine! Ihr Leben ist leichter geworden. Sie merkt erst jetzt wie viel Zeit Martin von ihr genommen hat. Sie hat nur noch eine Maschine zum waschen in der Woche. Geschirr kaum mehr. Sie gewöhnt sich schnell an ihre Freiheit. Martin und sie treffen sich fast jeden Abend im Chat. Ihre Gespräche sind tief und gut. Die Distanz hat es zwischen ihnen wieder vieles möglich gemacht. Sie reden miteinander wie am Anfang ihrer Beziehung. Jeder kann den anderen fragen und erhält Rat der auf ihn zugeschnitten ist. Denn sie kennen sich beide ja gut. Im laufe der Gespräche erwähnen sie nun auch ihre Ehe.
„Martin, hast du dir Gedanken gemacht wie es mit uns zwei weiter gehen soll?“
„Ich mache mir jeden Tag darüber Gedanken und komme zu keinem Entschluss. Und du?“
„Ich habe mir nur gefragt was du wohl noch vom Leben erwartest?“
„Ich, na ja ich werde weiter arbeiten und irgendwann dann in Pension gehen.“
„Du bist geordnet ich chaotisch! Wie geht es dir dabei?“
„Also ich lege grössten Wert auf Ordnung, das weißt du ja. Auch habe ich gerne Ruhe. Wenn Lisa ihre Freundinnen mit nach Hause bringt geht das ja gerade noch. Aber zuviel Menschen sind für mich nur Stress.“
„Ich brauche aber den Kontakt mit den Menschen. Jetzt wo du weg bist, habe ich auch viel mehr Besuch.“
„Das habe ich mir gedacht!“ aber er lacht dabei.
„Und ich merke auch, dass du mich stark eingeschränkt hast. Ich fühle mich sehr frei im Moment. Meine Energie ist voll da. Keiner der herummotzt, keiner der immer wieder etwas sucht um daran etwas auszusetzen. Wenn ich ein Resume über unsere Beziehung schreiben müsste, ich glaube, dann wäre die jetzige Zeit die Beste!“
„Mir geht es auch gut, hier. Ich fühle mich gebraucht und merke wie die Leute zu mir aufsehen weil ich viel Wissen habe. Das tut mir echt gut.“
„Ja das kann ich verstehen. So mit der Distanz zwischen uns geht es uns beiden besser. Vielleicht sollten wir uns doch einmal Gedanken machen über eine richtige Trennung.“ Esther hat es ausgesprochen und wartet nun auf die Antwort.
„Das habe ich mir auch schon überlegt. Ich wollte einfach warten bis es von deiner Seite her kommt.“
„Ach, Martin, ich möchte, wenn möglich, dir eine Freundin bleiben, einfach noch irgendwo zu dir gehören. Meine Liebe zu dir ist verloren gegangen. Aber ich habe dich echt noch sehr gerne.“
„Da geht es mir gleich. Du wirst in meinem Leben immer eine Rolle spielen.“
„Denkst du wirklich wir könnten es schaffen nur Freunde zu bleiben?“
„Was hindert uns daran? Dies geht dann nur uns zwei etwas an, oder?“ Martin ist immer noch ganz sachlich.
„So ein gutes Gespräch hatten wir schon lange nötig.“
„Ja da hast du den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich bekomme hier gerade das Essen serviert. Reden wir Morgen weiter?“
„Sicher, Martin, Morgen um die gleiche Zeit?“
„Ja klar, dann bis Morgen!“
„Guten Appetit und bis Morgen.“
„Bye“
„Bye bye“ schreibt sie und geht aus dem Chat.
Eine Welle der Erleichterung überflutet sie. Er ist der gleichen Meinung wie sie, sie werden es zusammen hin bekommen. Sie ist ja so froh! Eine grosse Last fällt ihr von den Schultern. Denn Krieg wäre eine schlechte Lösung. Es muss in Frieden gehen. Sie hatten ja soviele gute Zeiten zusammen. Warum denn dies alles wegwerfen. Freunde sein, ja das wäre wirklich schön! Beschwingt putzt sie ihre Zähne, summt noch ein Lied dazu und schläft diese Nacht durch! Sie schläft so gut wie sie es schon lange vermisst hat. Ein neuer Weg geht für sie auf! Ein wirklich neuer Weg!
Claudia sitzt auf dem Balkon. Es ist Abend die sogenannte blaue Stunde, ihre Lieblingsstunde. Den Kopf aufgestützt schaut sie in den Himmel der sich nun spannend verändert. Sie denkt an ihre jüngste Vergangenheit an ihr gestriges Telefonat mit Georg an ihren Traum. Auch sie gehört zu denen die keinen neuen Weg freiwillig akzeptieren bis das Leben sie dazu zwingt. Ihr Glas war am überlaufen ihr Leben hat ihre gesamte Energie mitgenommen. Nun hat sie ihr Glas geleert. Das grosse Haus ist weg, der Mann ist weg, die Pferde sind bis auf zwei weg und die sind so gut versorgt, dass sie frei ist. Die Reitkinder sind weg, dafür arbeitet sie 80% im Heim. Trotz dem hat sie nun mehr Zeit für sich. Zeit und Freiheit! Ihre Kinder sind Erwachsen, sie muss nur noch für sich selbst sorgen. Deshalb hat sie sich auch das Cabrio gekauft. Auf eine Art freut sie sich auf den neuen Weg, sie hat zulange in der Allee gestanden. Nun muss es wieder vorwärts gehen. Ihre Gedanken werden von der Hausklingel unterbrochen. Sie geht an die Türe und öffnet sie. Bianca steht da, sie ist eine langjährige Bekannte doch in letzter Zeit haben sie sich kaum gesehen.
„So eine Überraschung! Komm rein!“ Sie geht ihr voran auf die Terasse.
„Ist es dir Recht wenn wir noch einwenig draussen sitzen?“
„Sicher ist ja noch warm.“
„Willst du etwas trinken? Kaffee, Tee oder Wasser?“
„Gerne etwas Wasser wenn du hast.“
„Setz dich, ich bringe es gleich.“ Sie verschwindet schnell in die Küche und kommt mit Gläsern und Wasserkrug zurück.
„Es ist schon eine Weile her dass wir uns gesehen haben?“ beginnt Claudia die Konversation.
„Ich musste heute an dich denken und wollte mal sehen wie es dir denn nun so geht, nach allem was war?“
„Oh ich habe mich gut erholt. Wenn du das meinst. Im Moment habe ich einen kleinen Unfall. Habe mir hier“ sie zeigt auf den Ellbogen der linken Hand „Muskel, Sehne und Band angerissen und bin im Moment zu 100% Arbeitsunfähig.“
„Schade, hast du Schmerzen?“
„Nein es geht, hab einfach keine Kraft und sicher tut es weh, doch ich denke für einen Unfall ist es noch glimpflich. Ich habe mich einwenig erholt. Ich spüre, dass es mir jeden Tag besser geht und bin dankbar für die Pause, die mir das Leben gegeben hat. Unfreiwillig und doch unbewusst denke ich dass ich es wollte.“
„Wie meinst du das? Du bist froh das du einen Unfall hattest?“ Bianca ist entsetzt.
„Man kann es auch so formulieren, ja“ Claudia nickt mit dem Kopf und lächelt. „Ich habe diese Erkenntnis erst seit gestern. Ich merke ja auch erst kurz dass es mir besser geht. Ich kann nun wieder um 22 Uhr ins Bett und schlafe sogar. Meine Gedanken sind freier geworden. Ich Meditiere nun fast jeden Tag und habe so wieder zu mir gefunden. Es war halt schon heftig, gleich alles auf einmal zu verlieren. Nein, ich möchte dieses Wort umändern. Sagen wir alles auf einmal wegzugeben. Wie geht es dir?“
Bianca beginnt zu erzählen. Für die Zuhörende ist es wie immer. Wenn sie es sich genau überlegt, dann hat sich im Leben von Bianca auch sehr viel verändert. Sie musste weggeben was immer ihre Kraft gefordert hat. Viel zu lange ist Bianca in der Allee gewandert. Soll sie ihr von Tadefi erzählen, denkt sie beim zuhören?
„Ich habe mich gestern noch in einem Altersheim zum putzen beworben. Meine Kräfte lassen erst eine Arbeit von 40% zu.“
„Wie geht es dir denn so nach so langer Zeit ohne Arbeit?“
„Ich fühle mich wertlos in dieser Gesellschaft. Ich habe mein Leben lang gekämpft, vier Kinder gross gezogen und meinen Betrag geleistet. Meine Kräfte sind so zurück gegangen das ich kaum mehr etwas leisten kann. Im Kopf könnte ich schon noch viel aber mein Körper hinkt dann nach. Aber ich will keine Klage sagen, ich habe meine Wohnung und es geht mir gut.“
„Meditierst du ab und zu?“
„Ich lese viel, habe meine zwei Termine pro Woche bei der Psychiaterin und ein Mal gehe ich noch zur Massage. Jetzt hat mich die Ärztin noch einmal zur Kur angemeldet. Ich denke ich gehe noch einmal für vier Wochen weg.“
„Gut, würde ich auch gerne wollen. Einfach so vier Wochen sich verwöhnen lassen. Aber keine Klage von mir, ich darf ja auch noch zu Hause bleiben.“
„Ja ich freue mich auf die Kur. Das Kurhaus ist nahe den Bergen und man kann dort viel einbringen. Künstlerisch meine ich.“
„Sag Bescheid wenn du gehst, dann komm ich dich mal besuchen.“ So bleiben die beiden Frauen noch lange im Gespräch und Bianca verabschiedet sich erst spät wieder.
„Wenn du jemanden brauchst der dich wohin fährt ruf einfach an.“ Verabschiedet sich Bianca.
„Gerne, mach ich doch. Ich hoffe ich kann bald wieder Auto fahren. Habe nächste Woche den Arzttermin. Dann werden wir ja sehen.“
„Die Schiene sieht echt gruselig aus.“
„Ja gell, vor allem der Ellbogen ist so übertrieben!“ Sie lachen beide. Bianca geht und Claudia schliesst hinter ihr die Türe zu. Ein Mensch der das Glas eher halb leer statt halb voll sieht. Ein Mensch der eine tiefe Traurigkeit in sich trägt und die Stimmung von jemand anderem sicher hinunter ziehen kann wenn man es zulassen würde. Doch Claudia kennt sie nun schon so lange das es für sie ein normal Zustand ist den Bianca ihr zeigt. Sie ist immun geworden gegen diese Stimmung. Und heute Abend war es nett. Sie haben sich super unterhalten und jeder hat ein wenig von sich erzählt. So deutlich wie bei Bianca sieht sie nun zum ersten Mal die Allee bei einem Menschen. Wie wohl ihre Allee aussehen würde fragt sie sich beim Zähne putzten. Sie muss Bianca unbedingt das nächste Mal davon erzählen nimmt sie sich vor und geht dann ins Schlafzimmer.
Monika hat Thomas gebeten zum Medium mit zu kommen. Doch er sagt ihr: „Das ist dein Ding. Geh du mal alleine da hin.“
„Aber ich gehe für unsere Beziehung da hin. Für uns beide meine ich.“
„Geh du da hin für dich, es ist dir wichtig dort zu sein.“
„Aber bist du denn dagegen wenn ich gehe?“
„Nein“ er schüttelt noch zur Verstärkung den Kopf „Geh du nur das sage ich ja schon die ganze Zeit.“
„Kann ich heute bei dir schlafen?
Seine Antwort kommt verzögert. „Ich muss morgen früh los. Es wäre ja schade wenn du an deinem freien Tag aufstehen musst.“
Es ist also ein nein, denkt sie für sich. Sie wäre ja liebend gerne früh aufgestanden, nur um mit ihm im selben Bett zu sein. Ihre Beziehung ist wirklich komisch. Sie sind bei ihr zu Hause angekommen und er hält an.
„Kommst du noch kurz mit herein?“
„Wie gesagt ich muss morgen früh los. Nein, ich fahre lieber gleich weiter.“ Er drückt ihr einen Schmatz auf die Lippen, wartet bis sie ausgestiegen ist und fährt dann los.
Monika ist verstört. Wieder einmal hat er sie deutlich zurück gewiesen. Obwohl er den ganzen Abend so lieb und fürsorglich zu ihr war. Sie muss noch mit jemandem reden. Sie versucht bei Claudia anzurufen. Sie hat Glück sie ist zu Hause.
„Hallo hier ist Claudia“ nimmt sie ab.
„Ich bin es, Monika.“
„Hallo noch zu so später Stunde auf?“
„Ja ich war eben mit Thomas weg. Wir waren zusammen essen und Morgen habe ich frei.“
„Ah darum das späte Telefon?“ Claudia ist ganz Ohr. „Und wie war denn der Abend so?“
„Thomas spielte den perfekten Gentlemen das Essen war fein und wir haben uns gut unterhalten.“
„Und dein Termin beim Medium kommt er mit?“
„Nein er sagte ich solle doch alleine gehen. Ich habe ihn dann gefragt mehr als einmal ob es ihm Recht ist wenn ich gehe. Er hat ja gesagt.“
„Monika du hast ihn ganz schön unter Druck gesetzt, denkst du wirklich er würde nein sagen?“
„Ich habe ihn aber gefragt.“
„Sicher, er weiss wie viel du darauf hältst. Denkst du er will dich vor den Kopf schlagen? Wenn er schon zu Hause bleibt wird er dich in deinem Vorhaben wenigstens Verbal unterstützen.“
„Vielleicht stimmt ja was du sagst. Egal für mich, er hat mich eh abgewiesen, ich wollte bei ihm schlafen. Er meinte er müsse so früh raus, das wäre dann wohl schlecht für mich. Manchmal möchte ich einfach aussteigen können. Wäre so schön!“
„Ruf doch Tadefi einmal heute Abend. Er soll dir deinen nächsten Weg zeigen, vielleicht kannst du dann aus der Allee aussteigen?“
„Das wird kaum helfen. Nein, ich gehe zu diesem Medium. Mal sehen was es dann bringen wird.“
„Ruf mich dann sofort danach an, ich bin ja so etwas von neugierig wie es dir dort ergehen wird.“
„Versprochen, mache ich. Jetzt ist wohl besser wir gehen schlafen, oder?“
„Ja ist eine gute Zeit, also schlaf gut.“ Verabschiedet sich Claudia.
„Du auch.“
„Geniesse deinen freien Tag Morgen!“
„Sicher!“
Monika fährt den Weg zum Medium mit Vorfreude. Was sie wohl dort erwarten wird? Sie ist eine von vielen die da gekommen sind. Zum Anfang wird eine Schweigeminute zelebriert. Überall sind Kerzen die brennen und einer nach dem anderen kann in den anderen Raum zum Medium gehen. Monika ist jetzt dran. Vorsichtig und etwas befangen geht sie in den Raum. Das Medium sitzt im Schneidersitz auf dem Boden und schaut sie lächelnd an.
„Komm, Schwerster, setz dich zu mir.“
Monika setzt sich umständlich, ungewohnt so auf dem Boden zu sitzen.
„Was darf ich für dich tun?“
„Es geht um meine Beziehung mit Thomas. Kannst du mir sagen was ich für eine Aufgabe habe. Warum ich mich so verbunden fühle mit Thomas?“
„Ich sehe euch in einem anderen Leben. Er war ein feiner adeliger Herr und du hast ein Kind von ihm bekommen. Er hat dich aufgegeben. Er hat dir einfach Geld gegeben für die Abtreibung und wollte dich so aus seinem Leben schieben. Du bist fast gestorben an der Abtreibung.“
„Was hat das nun mit meinem jetzigen Leben zu tun?“
„Du bist von ihm damals schon alleine gelassen worden. Du fühlst in dir immer noch ein Schuldgefühl gegenüber ihm. Ohne Grund muss ich dir sagen. Sicher du bist zusammengeführt worden mit Thomas. Du hast da eine Aufgabe. Wer bestimmt wie lange deine Aufgabe anhalten wird? Doch nur du, Monika, nur du. Ich kann dieses Band lösen für dich.“
„Ja gerne“
„Wenn ich es tue kann es sein das die Beziehung zu Ende gehen wird. Bist du bereit dazu?“
Monika schweigt und denkt nach.
„Ja ich bin bereit. Tue es.“
„Gut so soll es sein. Schliesse deine Augen und lass es geschehen.“
Als Monika aus dem Raum tritt fühlt sie sich leicht und fast schwerelos. Sie ist sich nun ganz sicher, alles kommt gut. Sie muss unbedingt Thomas sehen.
„Hallo du, hast du kurz Zeit für mich? Bin gerade in deiner Nähe?“
„Hallo Monika, so eine Überraschung. Ja in 15 Minuten kann ich mich kurz loseisen.“
„Ich komme dich abholen, bis dann.“
„Ok bis dann.“
Nur noch 15 Minuten und sie wird Thomas sehen. Was hat sich wohl verändert nun?
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