REGULA geht genau im gleichen Moment wie Esther in ihr Bett einfach in einem anderen Teil der Stadt. Ihr Tag war grau und leer gewesen. Ihr Mann glänzte mal wieder mit Abwesenheit. Sie liegt alleine im grossen Bett und eine tiefe Traurigkeit überfällt sie. –Mit wem soll sie nur reden?- Sie hat immer nur gearbeitet, sie hatte keine Zeit sich um Freunde zu kümmern. Jetzt rächt sich das, jetzt wo sie jemanden brauchen könnte ist sie alleine ganz alleine! Claudia kommt ihr in den Sinn. Diese faszinierende Frau hat Eindruck bei ihr hinterlassen und sie hat auch noch die Visitenkarte von ihr. Sie macht noch einmal Licht steht auf und sucht in ihrer Handtasche nach der Karte. Sie findet sie und legt sie auf das Nachttischchen. Morgen, ja Morgen wird sie Claudia anrufen. Sie muss unbedingt mit jemandem reden. Der Gedanke, dass sie Morgen jemanden haben wird gibt ihr Ruhe und lässt sie dann auch einschlafen.

STEPHANIE hat sich vorgenommen etwas kürzer zu treten. Heute muss sie die Nacht noch dazu nehmen. Zuviel Arbeit wartet Tag für Tag auf sie. Und genau diese eine Arbeit muss bis jetzt fertig werden. Wenn die Kinder schlafen fühlt sie sich am wohlsten zum Arbeiten, die Wohnung gibt ihr Sicherheit und das Gefühl, alle Kinder sind friedlich im Bett gibt ihr den Elan noch bis tief in die Nacht weiter zu machen. Endlich schliesst sie den Computer. Die Liste ist fertig, sie hat es doch noch geschafft. Sie steht auf und streckt sich. Tadefi kommt ihr in den Sinn. Ihre Firma, nein, es ist die Firma von Fritz, denkt sie dann. Ist es ihre Aufgabe sich da reinzuknien und alles zu geben? Die Kinder kommen zu kurz, sie kommt zu kurz! Dann sieht sie Fritz jeden Tag! Tadefi hat ihr gesagt es gibt immer viele Wege. Es gibt immer einen Weg. Man muss sich dafür entscheiden. Wofür soll sie sich entscheiden? Er hat auch gesagt, sobald man sich entschieden hat, wird es sich verändern. Denn nur schon durch die Entscheidung verändert man sich selber. Dass sie ausgezogen ist, ihre eigenen vier Wände nun um sich hat. Ja das war eindeutig an der Zeit. Und Fritz kümmert sich nun mehr um die Kinder, jetzt wo sie räumlich von ihm weg wohnen. Er ist um etliche Jahre älter als sie und hat die Kinder jeden Tag nur noch bedingt ertragen. Nun, da er sie ab und zu bei sich hat, geht es allen besser. Doch jeden Tag mit Fritz zusammen arbeiten, seine Nähe, seine Krankheiten hautnah mitzuerleben, ist das wirklich für sie noch richtig? Kann den Fritz überhaupt gesund werden wenn sie immer für ihn da ist? Diese Frage stellt sie sich ab und zu seit sie mit Tadefi gesprochen hat. Wie weit behindert man einen anderen Menschen indem man einfach festhält am Alten? Stefanie seufzt tief auf. Zuviel Verantwortung liegt auf ihren Schultern. Wie soll sie da je wieder raus kommen?

JÜRG fährt beschwingt seinem Heim entgegen. Wie es der Zufall wollte, er hat nun eine neue Frau kennen gelernt und er muss sagen, sie gefällt ihm sehr. Der Abend verlief viel besser als erwartet. Ja, das war jede Minute wert. Mal eine richtige Frau. Seit der Trennung von Annuk fühlt er sich zum ersten Mal wieder so richtig gut mit einer Frau. Sie hatte ihn ja damals schutzlos im Regen stehen gelassen dies ist vorbei. Eine neue Ära ist angesagt. Jetzt ist er wieder bereit etwas zu wagen, er kann hoffen und er öffnet sich behutsam den Gefühlen die auf ihn zu kommen. Er ist sogar bereit wieder Schmerz zu empfinden. Hofft dass dies vermieden werden kann, doch er zieht es in Betracht. Dies zeigt ihm ganz deutlich, dass er nun Annuk endgültig überwunden hat. Esther hat ihn immer wieder überrascht mit ihren Antworten. Hat ihn herausgefordert, ist charmant! Es war so richtig schön neben ihr zu sitzen. Eine tolle Frau! Mal sehen, lassen wir es einfach laufen. Wird schon schief gehen. Und ja, er kann es laufen lassen, er hat sich nur einen Spalt weit geöffnet. Mehr ist noch zu gewagt! Das Esther verheiratet ist, noch verheiratet ist lässt er einfach beiseite. Einerseits spornt ihn dies an, sich zu beweisen er kann es noch mit den Frauen. Andererseits gibt es ihm für den Moment auch die Sicherheit, sie wird sich zurück halten. Er hat die Kontrolle.

REGULA erwacht am andern Morgen ausgeruht. Ihr erster Blick fällt auf die Visitenkarte. Wie sieht es denn heute aus. Es ist morgen, da sieht grundsätzlich immer alles besser aus! Doch sie erinnert sich an das Versprechen, dass sie sich selbst gestern Abend gegeben hat. Nach dem Kaffee nimmt sie ihrem ganzen Mut zusammen und ruft bei Claudia an.

„Ja hallo bei Claudia!“

„Hallo Claudia, hier ist Regula. Wir haben uns doch am Geburtstagsfest von Gregor getroffen?“

„Ja, Regula, ich erinnere mich. Wie geht es dir?“

„Darum rufe ich an, Claudia ich muss mit jemandem reden.“
„Gut das du mich angerufen hast. Komm doch einfach vorbei. Ich bin heute sowieso zu Hause kein Problem.“

„Wirklich und das stimmt für dich?“

„Ja wenn ich es doch sage. Trinken wir einen Kaffee zusammen. Sagen wir so um 15h?“

„Ja das geht gut, ich habe heute Zeit Schön dann komme ich um 15h zu dir nach Hause.“ Die Stimme von Regula hat an Kraft zugenommen durch die einfache Einladung.

„Gerne bis dann, bye!“

„Bye!“ Regula hängt den Hörer ein. Das war leicht, wirklich leicht. 15h ich hab noch Zeit etwas aufzuräumen. Sie kann es kaum fassen, dass es wirklich gegangen ist. Claudia hat so getan, als wenn sie gute Freunde wären und sie nur mal kurz zum Kaffee kommt! Hat gut getan! Sie freut sich auf den Kaffee. Die Zeit bis um 15h vergeht dann auch im Fluge und voller Erwartung macht sich Regula auf den Weg. Claudia öffnet gleich selbst die Türe.

„Hallo Regula, komm doch einfach herein. Ich habe gerade den Kaffee fertig gekocht.“

„Danke, hallo Claudia soll ich die Schuhe ausziehen?“

„Ja gerne, dort sind such Hausschuhe für dich.“ Sie geht dem Besuch voran in die Stube. Ihre Wohnung ist grosszügig und hell.

„Setz dich doch an den Tisch, ich bringe uns gleich den Kaffee.“

Die Ankommende setzt sich hin und schaut sich um. Etwas kitschig für ihren Geschmack. Doch sie fühlt sich sofort wohl.

„Hast du es gut gefunden?“ ruft Claudia aus der Küche.

„Ja war ganz einfach ich habe ja ein TomTom.“

„Was ist ein TomTom?“ Sie steht mit dem Kaffee unter der Türe.

„Ein Navigations-Gerät. Die Marke heisst TomTom darum redet man nur noch so davon.“

Der  Kaffee wird eingeschenkt, noch etwas smaltalk und dann kommt die grosse Frage.

„Was führt dich denn zu mir?“

„Ach Claudia ich habe gestern Abend gemerkt, dass ich alleine bin, niemanden habe um mich auszutauschen. Ich habe meine ganze Zeit in die Familie und meinen Mann gesteckt und jetzt wo stehe ich?“ sie macht eine Pause. Claudia hört einfach zu und wartet.

„Mein Mann hat seit ein paar Jahren eine Geliebte und sie hat ein Kind von ihm. Ich liebe meinen Mann und wenn er da ist, dann kümmert er sich ja um mich. Aber es schnürt mir die Luft ab! Ich weiss weder vor noch zurück. Wir sind verschuldet über alle Massen und ich habe mein ganzes Geld in den Bauten drinnen. Er ist immer mehr und mehr bei der anderen Frau.“

„Weiss denn die andere Frau von dir?“

„Ja sicher, er hat sie an Weihnachten zu uns eingeladen. Und ich blöde Kuh habe es noch zugelassen. Er kommt jetzt schon und erzählt mir seine Streitigkeiten mit der anderen. Ich gehe langsam aber sicher zu Grunde. Ich sehe keinen Weg aus der Situation heraus zu kommen. Ich sehe aber auch keinen Weg weiter so zu leben! Ach Claudia, was soll ich bloß tun! Ich habe mich dem Buddhismus zugewendet. Indem ich meine Mantras bete komme ich wenigstens innerlich etwas zur Ruhe. Aber es ist kein Zustand. Es nagt an mir!“

„Was hindert dich denn am Meisten von Karl wegzugehen?“

„Alles ist so verstrickt und verschachtelt. Mein ganzes Vermögen ist angelegt, ich habe keine Ahnung wie ich das Leben alleine bewältigen soll! Bis jetzt hat immer Karl alles gemacht. Nun will ich bei den Sitzungen dabei sein. Er meint immer, ist doch unnötig. Doch ich will wissen was er denn mit dem Geld macht. Und ich kann ja auch mitdenken. Ich hätte mich schon viel früher für die Geschäfte interessieren sollen. Jetzt ist es fast zu spät!“ Sie trinkt etwas Kaffee.

„Du bist in der Allee. Das ist so ein Ausdruck von mir, wenn die Leute am Warten sind. Wenn sie jeden Weg der sich ihnen anbietet einfach ausschlagen weil sie warten wollen. Warten auf den Partner, warten auf ein Wunder. Sie warten einfach. Du gehörst da auch dazu, denn du wartest, dass irgendwie von aussen etwas geschehen soll. Du hast zwar keine Ahnung was es sein soll, doch du wartest oder?“
„Ja so kann man es sehen Doch was meinst du mit das sich mir ein Weg anbietet?“

„Stell dir vor, du gehst auf einer Allee und von rechts und links kommen immer mal wieder Wege auf diese Allee. Du musst nur noch aussuchen, welchen du gerne gehen möchtest? Du musst ja sagen zu der Gelegenheit die sich dir bieten. Verstehst du das?“

„Ja ich verstehe es schon, doch wenn ich keine Gelegenheit sehe, wie kann ich dann ja sagen?“

„Du bist noch blind dafür. Denn im Grunde deines Herzens möchtest du immer noch bei Karl bleiben. Du hoffst auf ein Wunder!“

„Nein ich habe mich damit abgefunden.“

„Blödsinn, du suchst nur immer wieder Ausreden die bestätigen, dass es seine Berechtigung hat, wenn du noch im Haus von Karl und dir wohnst wenn du noch den Haushalt machst wie eh und je und wenn du am warten bist bis Karl dann heim kommt!“

„Du bist hart mit mir.“ Regula wendet sich etwas ab.

„Wie lange schon lebt dein Mann mit zwei Frauen? Und wie lange schon rechtfertigst du dich? Gut, du hast deine Mantras die machen dich glücklich. Doch am Schluss kommst du auch so kaum um eine Entscheidung herum. Deine Kinder sind alle Erwachsen. Zeig doch einwenig Rückgrat und beginne dein Leben neu! Du bist zu mir gekommen und ich kann dir nur sagen was ich spüre. Du bist ein wertvoller Mensch und du verweigerst dich so dem Leben! Stell dir vor was du schon alles hättest erleben können wenn du den Schritt gewagt hättest?“

„Mein Leben war aber auch so schön. Ich kann ja machen was ich will in dem Haus. Na ja er ist da etwas eigen wenn ich etwas umstelle. Also lasse ich es lieber so wie es ist, dann habe ich Frieden wenn er heim kommt. Und jetzt ist es sowieso schlecht. Wir haben ja kaum mehr Geld und können den Angestellten keinen Lohn auszahlen. Weißt du wie das für mich ist denen jeden Tag zu begegnen!“

„Mach doch die Augen auf und sieh die Wege die nun kommen werden. Das ist alles was ich dir mitgeben kann. Denn es wird kein Wunder geschehen! Niemand wird kommen und dir deine Entscheidungen abnehmen. Du bist selbst verantwortlich für dein Leben. Je eher du das einsiehst, desto leichter werden dir dann Entscheidungen fallen.“

„Schön, was schlägst du mir nun also vor?“

„Ich kann keine Vorschläge machen, vielleicht einen Rat geben.“

„Dann gib mir bitte einen Rat der keine Ohrfeige für mich ist?“ Regula ist klein geworden.

„Ich würde dir gerne den Rat geben, dass du, sobald die Finanzen wieder einigermaßen im Lot sind für dich schaust und gehst. Lass einfach alles los. Du kannst ja nach Indien auswandern für den Anfang wenn es dir dort so gut geht. Egal was dir die Leute sagen, Regula, du musst dich für dich entscheiden. Du musst es dir auch wert sein eine Entscheidung treffen zu wollen.“

„Ach manchmal ist das Leben einfach schwer!“ seufzt die Fragende.

„Wem sagst du das!“ Trotz allem müssen nun die beiden Frauen lachen!

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