CLAUDIA hat heute ihren Ausgehtag. Das heisst sie bummelt nach Lust und Laune einfach in der Stadt herum trinkt einen Kaffee und lässt es sich gut gehen. Sie schlendert durch die Fussgänger Zone und auf wen trifft sie? Esther, eine alte Bekannte kreuzt ihren Weg. Für beide ein freier Tag sie trinken natürlich einen Kaffee zusammen.
„Was gibt es Neues?“ Soll sie ihr von Jürg erzählen? „Ich hatte einen Zusammenstoss mit einer Autotüre und habe dabei einen Mann kennen gelernt.“ Sofort ist Claudia hellwach, all ihre Fühler sind ausgestreckt.
„Spannend, erzähl mehr!“
„Nun er hat mich dann im Spital besucht wir haben mal telefoniert.“
„Und Martin?“
„Du hast es schon voraus gesehen, oder? Er ist im Moment noch auf Reisen wenn er zurück kommt rede ich mit ihm. Ich muss den jetzigen Zustand beenden. So kommt keiner von uns weiter.“
„Hat Jürg da eine Relevanz?“
„Ja und nein, es braucht halt immer von aussen einen Anstoss. Den hat mir Jürg irgendwie gegeben. Er flirtet mit mir, ich mag ihn und er bringt mich zum lachen.“ Sie ist über sich selbst erstaunt, dass sie aus dem kurzen Zusammentreffen mit diesem Mann schon so viel sieht.
„Ein Mann der dich zum Lachen bringt ist Gold wert! Du nimmst also einen neuen Weg unter die Füsse?“
„Ja, wenn man so will. Der Weg hat sich angeboten.“
„Das haben Wege so auf sich!“ lächelt Claudia.
„Wie sieht es denn bei dir aus mit Männern?“
„Weit und breit keiner in Sicht, hihi. Doch das wird sich schon noch ändern.“
„Hoffentlich für dich!“
„Wenn die Zeit reif ist kommt immer alles was man braucht.“
„Du hast wie immer eine Weisheit auf Lager, jetzt muss ich dich wieder verlassen. Möchte zu Hause noch ein paar Sachen erledigen bevor Lisa wieder da ist.“
„Wird mir schwer fallen, wenn du mich verlässt“ witzelt Claudia. „Schon gut, geh nur, ich habe eh meinen Ausgehtag. Da ist Zeit und Raum verschoben!“
„See you!“
„Ja bis bald!“
Claudia bleibt noch ein Weilchen sitzen und beobachtet die Gäste. Das tut sie für ihr Leben gerne. Der da wartet sicher auf seine Herzensdame. Und die da sieht ja so etwas von gelangweilt aus! Dann begibt sie sich auf den Weg zu ihrem Auto. Claudia ist ein ziemlich chaotischer und vergesslicher Mensch. Als sie nun vor ihrem Auto steht merkt sie, dass sie ihre Handtasche im Cafe vergessen hat. Sie dreht sich um und stösst mir einem Mann zusammen der dicht hinter ihr stehen geblieben ist.
„Sorry“ sie versucht vorbei zu gehen.
„Madame“ er holt kurz Luft „ist das ihre Handtasche?“ Abrupt bleibt sie stehen und schaut auf! Da steht ein schlanker Mann mit einer Jeansjacke und hält ihre die Tasche in die Höhe.
„Ja, wo haben sie die den her?“
„Ich habe mich gleich nach ihnen an den Tisch gesetzt und die Tasche sofort gesehen.“
„Und dann rennen sie mir durch die ganze Stadt nach?“
„Sie sind so schnell gelaufen und hatten einen Vorsprung. Und was hätte ich den rufen sollen? He hallo ihre Tasche verfolgt sie?“
Claudia muss lachen. „Nein, danke. Wie kann ich mich erkenntlich zeigen?“
„Ich würde sie gerne zu einem Getränk einladen, damit ich zu zweit am Tisch sitzen kann. Ist für mich ein ganz neues Gefühl.“
„Dann haben sie sich erst vor kurzem getrennt?“
„Leider, ja. Und wie stehen meine Aktien?“ Seine hellblauen Augen widerspiegeln sich in ihren, wie kann man da nein sagen. Sie nickt.
„Erfreut ich bin Georg.“
„Claudia.“
Zusammen spazieren sie nun zurück zum Kaffee. Georg ist der Gentleman in Person. Claudia geniesst die Aufmerksamkeit und sie kommen ins Gespräch. Ja, es ist definitiv schöner zu zweit einen Kaffee zu trinken wenn man sich versteht.
JÜRG beginnt seinen Tag wie immer sehr langsam und bewusst. Er liebt es am Morgen zu trödeln und geht deshalb immer erst gegen neun Uhr arbeiten. Sein Leben hat sich nun zum Glück etwas eingependelt. Es war ja so etwas von verzwickt und verworren. Seine Empathie hat ihn sogar bis in die Psychiatrie gebracht. Es brauchte Jahre, bis er sie in den Griff bekam. Als er noch jung war, überdeckte er sie mit Drogen und Zigaretten. Mit Hasch an deiner Seite ist dir alles egal. Du lebst einfach vor dich hin und es geht dir gut. Tadefi hat im seine Allee gezeigt, seine kaputte Allee, er hat einfach alles schleifen lassen. Oder wie er immer wieder sagt, das Leben ist gegen ihn. Ein halbes Jahr bevor er seine Lehre fertig hatte, ging seine Lehrfirma Pleite. Aus und vorbei! Das warf ihn für ein paar Jahre aus der Bahn. Es folgte Arbeitslosigkeit, Wiedereingliederung nach der Psychiatrie und er vollkommene Abhängigkeit vom Staat. Dann hat er ein Mädchen kennen gelernt. Sie war vollkommen. Alles stimmte bei ihr. Sie hatte gleiche Interessen wie er, zog im Leben am selben Strick. Und für einmal riss er sich so richtig zusammen. Annuk wurde für ihn so wichtig, dass er mit den Drogen und sogar mit dem Rauchen aufhörte. Was ja an und für sich schon eine enorme Leistung ist. Er stellte sich ganz und gar auf Annuk ein. Ihr hat er es zu verdanken, dass er nach so langer Zeit seine Lehre noch fertig arbeitete und den Abschluss machte. So ging es eine Weile gut, sie waren beste Freunde! Wirklich so richtig gute Freunde. Sie war immer da für ihn. Er hielt sich zurück und versuchte nie in irgend einer Weise eine sexuelle Handlung zu provozieren, verliebte sich aber mit Kopf und Kragen in sie. Empathisch wie er war, fühlte er ihre Liebe, doch sie verneinte diese. Annuk bekam Angst vor ihren eigenen Gefühlen. Sie spürte wie abhängig sie von Jürg wurde und provozierte einen Streit.
„Ich muss keine Rücksicht auf dich nehmen, ich kann tun und lassen was ich will!“ Sie steht in der Küche und stemmt zur Verstärkung ihrer Worte beide Hände in die Hüften.
„Das verstehe ich schon, aber wir hatten doch miteinander abgemacht das gemeinsam durch zu ziehen. Es ist für mich unverständlich warum du nun so reagierst.“
„Liebst du mich?“
„Diese Frage, Annuk! Du weißt genau das ich dir nur die Wahrheit antworten werde.“
„Ja hoffentlich!“
„Kannst du denn mit der Wahrheit umgehen, Annuk?“
„Sicher also sag schon, wie ist es für dich wenn ich nun einen Freund habe? Bist du dann eifersüchtig? Bist du nun verliebt in mich?“
„Ich muss dir die Frage mit ja beantworten, ja ich bin verliebt in dich und ja es wird für mich einiges ändern wenn du einen Freund hast, ist doch klar!“ Annuk wollte eine andere Antwort und kann, wie es Jürg voraus gesehen hat, konnte sie schlecht mit der Wahrheit umgehen. Ihre tiefen Gefühle für Jürg lösen in ihr Angst aus. Sie verliert die Kontrolle über sich. Deshalb der Streit, deshalb die Lautstärke von ihr, sie hat schlicht und einfach nur Angst. Jürg kann es spüren, möchte dagegen wirken, doch er muss die Wahrheit sagen, er möchte sich selbst treu bleiben. Sie hat gefragt, sie muss damit umgehen können.
„Ich muss los, komme sonst zu spät, sehen wir uns heute noch?“
„Besser nein“ sagt Annuk. „Ich muss nachdenken, lass mich heute alleine.“
„Wie du meinst, dann melde ich mich Morgen bei dir, tschüss.“
Er geht mit ungutem Gefühl aus dem Haus, er hätte da lieber noch ein wenig nachgefragt, er spürt ein Gewitter braut sich zusammen. Ein Unwetter auf das er keinen Einfluss haben wird. Er hofft einfach, dass er ziemlich im Trockenen bleiben kann. Leider erfüllt sich seine Bitte auf eine andere Art. Annuk zieht sich von ihm zurück und gibt keine Antwort auf seine sms. Somit lässt Jürg sie eine Weile in Ruhe damit sie nachdenken kann. Er spürt ihre Liebe, er weiss um ihre Liebe, wird sie dazu stehen? Diese bange Frage beschäftigt ihn Tag ein Tag aus. Die Tage vergehen kein Zeichen von Annuk. Seine sms bleiben unbeantwortet und nach zehn Tagen hat er in der Post ein Paket. Mit klopfenden Herzen öffnet er es. Alle seine Sachen, die er so nach und nach bei Annuk gelassen hat sind im Paket und ein Fresszettel mit den Worten.
Lass die nie mehr sehen bei mir!
Eine Welt bricht für ihn zusammen. Zum ersten Mal war er mit einer Frau so richtig ehrlich. Er hat gesagt was er fühlt, hat gesagt wie es für ihn aussieht. Und nun? Wird er nun dafür bestraft? Er erholt sich nur sehr schwer aus dieser Krise und lässt es nun an den anderen Frauen aus die ihm über den Weg laufen. Jede nimmt er die sich anbietet und keine lässt er lange bei sich. Er, mit seinem empathischen Wesen, weiss genau was eine Frau sexuell befriedigt und die Frauen laufen ihm in Scharen nach. Um seinem alten Leben ein Ende zu bereiten hat er die Stadt gewechselt. Zu viel erinnerte ihn noch an Annuk. Seit er nun in der Schweiz ist hat er sich gefangen. Die Vergangenheit kann ruhen. Seine sexuellen Abenteuer halten sich in Grenzen weil er gemerkt hat, dass er sich selbst am verlieren ist. Sex ohne Gefühle ist eben auf die Dauer anstrengend. Jetzt hat er sich ein Ziel gesetzt, er will wieder eine Beziehung aufbauen. Nun hat er Esther kennen gelernt. Und auf eine Art die er wie gesagt fast Karma nennen könnte. Er geht es langsam an mit dieser Frau, er spürt es könnte etwas werden.
ESTHER ist ganz aufgeregt, sie hat mit Jürg zu einem Kaffee abgemacht. Sie kommt sich vor wie Teenager bei seinem ersten Date. Was soll sie nur Anziehen? Welche Fisur, welche Schuhe? Solche Gedanken schwirren ihr durch den Kopf. Ist ja schon eine gute Weile her, dass sie ein Date hatte. Er hat sie ja schon gesehen, was soll das, kommt dann ihre Vernunft wieder durch! Los geht’s! Es ist höchste Zeit sonst kommt sie noch zu spät! Das Telefonklingeln hält sie für einen Moment zurück. Soll sie? Sie nimmt ab. Es ist Karin aus Österreich, sie haben sich mal an einer Weiterbildung kennen gelernt.
„Grüss dich, Esther, wie geht es dir denn so?“
„Oh, hallo Karin. Ich bin gerade auf dem Sprung. Müsste eigentlich schon weg sein!“
„Dann halte ich mich kurz. Ich wollte nur mal schnell nachfragen wie es bei dir denn das nächste Wochenende aussieht? Ich würde dich gerne besuchen kommen?“
„Nächstes Wochenende, oh das passt super, denn Martin ist da mit seinem Freund zum Fischen weg. Da können wir so ein richtiges Frauenwochenende machen. Ruf mich doch noch einmal an bevor du los fährst damit ich so ungefähr weiss, wann du dann da bist ok?“
„Ja klar, mach ich, dann wünsch ich dir noch einen schönen Abend und bis bald!“
„Ja bis bald meine Liebe. Ich freue mich auf dich!“
„Ich auch, tschüssi!“
Jetzt kann sie gehen! Sie wird ein paar Minuten zu spät kommen. Das geht noch. Jürg sitzt schon draussen auf der Terasse und sieht zum anbeissen aus!
„Hallo junger Mann, ist da noch ein Platz frei?“
„Nein, ich warte auf eine Dame, die sich dem Anschein nach etwas Zeit zum kommen lässt.“ Entgegen seinen Worten steht er auf und begrüsst sie herzlich.
„Entschuldige bitte, gerade als ich gehen wollte hat das Telefon noch geklingelt.“
„Ja diese Ausreden kennen wir zu genüge!“ lacht er. Sie will zwar etwas erwidern doch dann steckt sie sein Lachen so stark an, sie muss einfach mitlachen. Die Bedienung kommt, sie bestellen zusammen und warten dann.
„Wie war denn dein Tag heute?“ fragt er sie.
„Normal, wie immer. Wie halt so ein Tag bei mir aussieht. Und bei dir?“
„So kannst du mir doch keine Antwort geben, wir sehen uns nun zum ersten Mal.“ Sie will ihn unterbrechen, „gut zum zweiten Mal einverstanden“ korrigiert er sich. „Du musst mir schon von deinem so normalen Alltag mehr erzählen. Für mich ist das ja alles neu.“ Er schaut sie auffordernd an.
„Mein Alltag? Wie sieht so ein Alltag denn aus. Man steht auf, man kocht, man räumt, man bügelt ect. Einfach langweilig.“
„Das wäre für mich aber ein unnormaler Alltag. Denn ich bügle kaum, esse immer auswärts ect.“ Er strahlt sie voll an. Die Bedienung bringt das Gewünschte.
„Dann erzähl mal von deinem Alltag?“
„Bei mir ist der Alltag eben, dass jeder Tag etwas Neues in mein Leben bringt. Ich bin da einfach ganz offen.“
„Aber was arbeitest du denn?“
„Was denkst du?“ fragt er zurück.
„Im heiteren Berufe raten bin ich zwar gut doch bei dir?“ sie schaut ihn prüfend an „da fällt es mir schwer.“
„Sag einfach mal was, ich bin sehr gespannt.“
„Nun deine Hände sind eher für einen Bürogummi, doch dein Gesicht ist viel an der Sonne. Dies widerspricht sich eigentlich. Ausser du bist viel auf Baustellen?“
„Ja wird warm.“
„Architekt?“
„Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen. Ja ich bin bei meinem Vater eingestiegen Anfang Jahres und betreue hier in der Schweiz unsere Projekte.“
„Warum triffst du dich mit mir? Ich bin doch viel älter als du?“ Sie atmet tief durch. Super, sie hat es gewagt! Er stellt schnell seine Kaffeetasse wieder hin und schaut sie nachdenklich an.
„Warum? Ich kann keine Antwort geben. Du hast etwas, dass mich fasziniert und doch, ja ich sehe dein Alter. Doch habe ich noch nie so genau hingeschaut. Für mich ist es eher relevant wie man sich versteht. Was denkst du denn, wie alt ich bin?
„Du? Na auf alle Fälle unter 40!“
„Danke für die Blumen!“
„Was, du bist älter?“
„Ja, ich bin schon 45!“ er lacht wieder sein so tiefes Lachen. 45 klingt es im Kopf von Esther sie ist 48. Oh er ist Nahe bei mir! Ihre Alarmglocken läuten Sturm! Wie hat Tadefi gesagt, es gibt immer wieder neue Wege zum gehen. Doch sie ist verheiratet. Immer noch verheiratet oder soll sie sagen leider noch verheiratet? Die beiden Menschen fühlen sich wohl miteinander, reden und reden und auf einmal ist es Zeit aufzubrechen. Es ist schon halb zwei!
„War eine schöne Zeit mit dir, Esther ich danke dir dafür.“
„Gleichfalls Jürg hat mir sehr gut getan mit dir zu reden.“
„Immer zu Diensten“ lacht er sie an.
Draussen verabschieden sie sich und jeder geht wieder in sein Leben zurück. Jeder nimmt von dem Wohlgefühl der verbrachten Zeit zusammen was mit sich. Esther schreibt am Abend in ihr Tagebuch.
„Habe mich zum ersten Mal mit Jürg getroffen. Es war wunderschön. Wir haben uns blendend unterhalten. Wir werden uns sicher wieder sehen. Was will mir das Leben nun mit diesem Mann sagen. Ist es mit Martin vorbei? Muss ich mich das wirklich noch fragen?“ Sie schliesst das Buch und legt sich zum schlafen hin.
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