Tadefi schaut auf den Wirrwarr der Alleen die er zu verwalten hat und schüttelt den Kopf. Im Moment laufen die Menschen wirklich Amok! Fast jeder ist in einer Allee. Wenige sind auf einem Weg doch alle sind auf dem Weg. Wenn er da an Georg denkt, der hat die Allee wirklich verlassen. Sein Weg ins unbekannte Land angetreten.

Regula wehrt sich noch etwas gegen den Weg, hat aber schon viel eingesehen.

Claudia die ist definitiv wieder draussen auf der Wiese, bei ihr ist es schön zum zusehen. Die neue Entwicklung nimmt rasant ihren Weg. Sie hat die Gabe, wirklich hinter sich abzuschliessen. Das Glas ausleeren und weiter gehen.

Monika ist noch ganz gefangen in der Allee. Wird schon werden denkt er.

Er wendet den Kopf um in die Allee von Karin zu schauen. Sie hat ihre Allee kurz verlassen mit Bruno zusammen. Doch Alex ist noch zu stark präsent in ihrem Leben. Sie wird sich arrangieren. Doch ich denke die Allee wird schon noch für eine ganze Weile ihr zu Hause sein.

Wen haben wir denn noch?

Ah Bianca, ein ganz spezieller Fall. Er lächelt vor sich hin. Ihre Allee erscheint ihr so schön dass sie immer schnell wieder zurück kommt. Sie versucht ja den Weg zu gehen, leider hat sie keine Ausdauer. Ach ja, Mädchen, du brauchst sicher noch mehr Hilfe als das du schon hast.

Er geht auf die andere Seite um herunter zu schauen in die Allee von Stefanie. Bei ihr hat er am Meisten Eindruck gemacht. Sie hat den neuen Weg gesehen und ist sofort losgelaufen.

Ja wenn alles zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist läuft das Leben wie am Schnürchen. Man sagt dem auch im Lebensfluss sein. Je mehr Stefanie sich los löst von ihrem alten Leben desto mehr kann das Neue kommen.

Esther möchte gerne mehr Klarheit in ihrem Leben. Martin und sie haben schon viel über eine mögliche Trennung gesprochen, doch keiner von beiden hat einen Vorschlag gebracht über das wie. Wie soll es denn gehen, damit alle drei damit einverstanden sind? Trennung heisst auch automatisch getrennte Kassen. Also macht sich Esther viele, viele Gedanken über das Geldverdienen. Damals in Deutschland hatte sie eben das Biologiestudium fertig als sie schwanger wurde. In der Schweiz hatte dieses Diplom einen anderen Wert. Dann kam der Hauskauf, das Renovieren, der Umschwung. Es wurde ihr nie Langweilig. Doch jetzt steht sie da ohne einen Erwerb. Sie muss von null anfangen und entscheidet sich für die Pflege. Ihr Handy beginnt zu vibrieren und unterbricht ihre Gedanken, eine Sms. Fast mechanisch nimmt sie es in die Hand und schaut.

„Hätte heute noch etwas freie Zeit können wir uns treffen? Lg Jürg“

Jürg gibt es ja auch noch denkt sie. Heute? Zeit hätte sie schon soll sie? Vielleicht ist ein Gespräch mit einem Mann hilfreich? Kurz entschlossen schreibt sie zurück. „Gerne, wann hast du denn Zeit?“ lg Esther

Die Antwort kommt prompt zurück. „Bin um 17 Uhr bei dir? Bis dann.“

„Ok“ sie legt das Handy wieder auf den Tisch. Um 17 Uhr, ist ja noch eine Weile bis dahin. Sie muss sich beschäftigen. Sie holt die Wäsche und legt sie zusammen und bügelt. Lisa kommt zum Mittagessen bringt Leben ins Haus und fragt ob sie heute bei Antonia übernachten darf.

„Sicher darfst du, komm nach der Schule noch schnell heim den Schlafanzug holen.“

„Mach ich Mami!“ Und schon ist sie weg. Esther ist wieder alleine im Haus. Sie beschäftigt sich und denkt so wenig wie möglich an 17 Uhr. Kurz vorher ist sie dann schon bereit und nun wartet sie doch. Gedanken finden den Weg zu ihr. Ein Mann kommt sie holen. Ist wie ein Rendez-vous? Darf sie dass denn? Oder wie soll sie es verstehen? Was Jürg wohl von ihr will? Ach lass es einfach Esther, lass es! Denkt sie, es kommt wie es kommen muss. Die Klingel geht pünktlich auf die Minute! Sie nimmt ihre Tasche und öffnet.

„Hallo!“

„Hei, können wir?“

„Ja gerne.“ Er geht um das Auto herum und öffnet ihr die Türe! Wauw, ist schon ein seltsames Gefühl, ein Mann steht da, die Wagentüre ist offen und er wartet auf sie!

„Bitte“

„Danke“ sie setzt sich. Er lässt den Motor an und sofort fängt es an zu pipen!

„Was ist denn das?“

„Du musst dich anschnallen, sagt das Auto dir!“ Er fährt los. Sie schnallt sich an.

„Wohin fahren wir?“

„Ich dachte wir fahren an den See? Was denkst du?“

„Oh super! Ist schon eine Ewigkeit her seit ich mal wieder am See war!“

„Gut und das Wetter macht auch mit.“ Sie fahren und reden als wenn es das natürlichste von der Welt wäre. Wie wenn sie beide fast jeden Tag zusammen Auto fahren. Esther fühlt sich sehr wohl neben Jürg. Einfach wohl sie will keine tiefere Analyse machen, sie ist ja noch verheiratet! Am See angekommen spazieren sie ein wenig dem Ufer entlang dann treten sie in ein Lokal ein und setzen sich an einen Tisch. Ohne es zu merken beginnt Esther dann aus ihrem Leben zu erzählen. Jürg ist ein guter einfühlsamer Zuhörer und sie öffnet sich ihm immer mehr.

„Martin ist nun schon drei Monate in Holland und es geht ihm dort echt gut.“

„Schön für ihn. Wie geht es dir denn damit das er weg ist?“

„Mir? Soll ich ehrlich sein? Ja ich bin ehrlich, es geht mir sehr gut damit, Jürg. Sogar fast zu gut!“

„Wie meinst du das?“

„Ich bin frei und habe den Frieden im Haus. Tue und lasse wie es mir gefällt. Da könnte man sich schon daran gewöhnen.“

„Liebst du Martin noch, dass ist doch die einzig wichtige Frage?“ Jürg schaut sie an. Die Frage wirft Esther etwas zurück. So direkt gefragt bleibt sie für den Moment eine Antwort schuldig.

„Dein Schweigen spricht mehr wie Worte. Wenn du ihn noch lieben würdest, dann braucht es keine Überlegung!“

Sie schaut ihn an und sagt: „Ja du hast Recht, lieben wäre das falsche Wort. Ich habe ihn noch gern.“

Es fällt ihr leicht mit Jürg darüber zu reden. Ihre wirren Gedanken die nun den Weg ins Gespräch finden werden vom logisch denkenden Jürg aufgelistet und sortiert. Er hilft ihr Klarheit in ihre Gedanken zu bringen und es geht ihr immer besser und sie wird ruhiger. Wieder alleine im Haus denkt sie über den Abend nach und findet für sich selber: ich muss mich entscheiden! Sie liegt im Bett doch der Schlaf lässt und lässt auf sich warten! Die Gedanken im Kopf laufen Karussell! Sie stellt den Fernseher ein um sie zu übertönen. Wird dann mit der Zeit doch müde und schläft so gegen vier Uhr morgens ein! Müde und unausgeruht erwacht sie. Der Tag schleicht sich rum und wird endlos lange. Sie wartet am Abend im Chat auf Martin. Heute wird sie es sagen! Heute muss sie es sagen sonst wann dann? Martin kommt pünktlich wie verabredet um 19 Uhr in den Chat. Zuerst ist da ein hin und her von Floskeln dann nimmt sich Esther zusammen und sagt: „Ich habe mich entschieden Martin. Ich wollte warten bis zu wieder da bist. Doch es zieht sich und zieht sich und zieht sich.“

„Ja, ich wollte ja ursprünglich nur drei Monate bleiben nun sind es schon vier und ich denke ich komme erst in zwei Monaten wieder zurück.“

„Ich muss mich entscheiden, Martin, es braucht Klarheit. Wir haben nun schon so viele Male darüber gesprochen. Ich habe mich entschieden.“

„Für was hast du dich entschieden?“

„Ich möchte dass wir uns trennen sobald du zurück bist!“

„Du meinst, du willst die Scheidung sofort?“

„Nein nur die eine gerichtliche Trennung, willst du denn die Scheidung?“

„Wir haben ja schon einmal darüber geredet und waren uns einig, warum kommst du jetzt mit dem Gericht?“

„Damit wir das Finanzielle geregelt bekommen, alles ist so wirr, ich brauche einfach Klarheit.“

„Wir waren uns doch einig Freunde zu sein? Hast du das Vertrauen zu mir verloren wenn es ums Geld geht?“

„Ich dachte einfach es wäre sauberer.“

„Dann lass es uns schriftlich festhalten ohne Gericht. Ich bin mir da sicher, wir werden uns einig werden. Klar ist natürlich das du arbeiten muss.“

„Ja das ist mir schon klar. Ich habe mich auch beworben und bekomme morgen die Antwort.“

„Schön dass du an alles denkst, darauf habe ich vertraut.“

„Dann denkst du wir schaffen das ohne Krieg?“

„Ja denke ich und ich bin mit allem einverstanden. Und du brauchst keine Angst zu haben, wegen dem Geld. Ich werde immer bezahlen. Ich habe dich echt noch gern. Setz doch einfach mal so auf was du denn brauchst und wird reden darüber wenn ich wieder da bin.“

„Danke Martin, hab vielen Dank. Ich finde es toll, dass wir so gut darüber reden können und keiner ausflippt.“

„Ja ganz deiner Meinung, meistens gibt es wegen dem Geld Streit.“

„Wir haben unsere Ehe ja auch auf der Freundschaft aufgebaut. Weißt du noch Martin unser erstes Jahr zusammen nur Freunde?“

„Ja ich denke das war unser schönstes Jahr!“

„Ach komm! Wir hatten auch gute Zeiten in der Ehe!“

„Hatten wir, gebe ich dir Recht. Du warst eine gute Ehefrau. Die Zeit hat nun alles verändert und wir müssen nach vorn schauen. Ich habe keine Ahnung, vielleicht ist es ja auch mein Weg im Ausland zu bleiben. Ich bin da ganz offen.“

Sie reden noch eine Weile zusammen. Dann klicken sie sich aus. Jetzt wo sie über das Geld gesprochen haben ist es sonnenklar. Jetzt erst wird es ihr bewusst, ihre Ehe ist gescheitert! Nachdenklich und ruhig will Esther dann schlafen gehen. Keine Chance! Sobald sie im Bett liegt ist sie wieder hellwach. Ihr Körper ist müde doch von Schlaf keine Rede. Wieder fernsehen bis zum umfallen! Sie muss etwas tun, so geht sie vor die Hunde. Am andern Tag geht sie in die Apotheke um ein Schlafmittel zu holen. Wieder zu Hause, sie hat sich ein wenig hingelegt, das Schlafmittel steht bei ihr auf dem Nachttisch. Sie schaut es an und denkt „ach ich dachte ich schaffe es. Nun brauche ich sogar ein Hilfsmittel!“Voller Verzweiflung schreibt sie ein Sms an Jürg. Sie muss es einfach loswerden, aus ihr heraus sagen. Sie muss es mitteilen, dann geht es ihr gleich besser. Sie schickt es ab und dann beginnen die Tränen zu fliessen. Ihr Leben liegt in Trümmern vor ihr. Diese Empfindung bemächtigt sich ihrer ganz strark. Martin und sie gehören nun zu denen die aufgeben. Eben die sich trennen!Sie zerfliesst in Selbstmitleid und Kummer! In dem Moment klingelt ihr Handy. Es ist Jürg! Er redet und redet mit ihr sie hört zu, schluchzt manchmal und kann kein Wort sagen. Seine Stimme beruhigt sie, seine Worte kommen wie durch einen Nebel in ihr Hirn. Nach einer halben Stunde muss er an eine Sitzung und aufhängen. Doch es geht ihr besser. Sie schläft ein. Wieder wach, nach kurzer Zeit ruft sie bei Stefanie an. Sie muss sich mitteilen. Sie muss es auf den Tisch bringen. Sie muss es sichtbar machen, sonst hat es zuviel Macht über sie. Deshalb erzählt sie nun Stefanie ihren Entschluss! Sie hat es mitgeteilt, es wird nun zur Wahrheit. Ihre Ehe ist gescheitert. Oder wie man auch sagen kann, ein Lebensabschnitt geht dem Ende zu. Ja es war halt nur ein Abschnitt in ihrem Leben. Nur ein gewisser Zeitraum. Vorbei, gewesen, das ist alles. Ist es wirklich alles! So viele Jahre zusammen, so viele Stunden so viele Minuten, unendlich fast. Und jetzt ist es vorbei. Es wird aus ihrem Leben gehen! Wie hat Stefanie gesagt, es wird etwas Neues kommen. Doch im Moment interessiert sie etwas Neues auf keinen Fall! Sie muss nun dem Alltag ins Gesicht sehen und weiter gehen. Der Entschluss ist da, eine Entscheidung in beider Einverständnis gefällt, was will sie noch mehr! Sie haben nun geschafft was viele Paare verpassen. Sie wollen Freunde bleiben. Nur die kommende Zeit kann dann zeigen ob es auch möglich ist. Ja, sie seufzt tief auf, ja es wird sich zeigen. Und wie heisst es doch: Alles hat seinen Grund. Tadefi kommt ihr noch hoch. Ihre Allee, ja sie hat nun die Allee verlassen. Sie hat den ersten Schritt auf einem neuen Weg angefangen zu gehen. Wie es werden wird? Wer weiss das schon? Im Moment sehr unwichtig! Sie geht vorwärts. Das Stillstehen ist zu Ende! Auch ein gutes Gefühl! Jeder Tag wird ihr wieder mehr Kraft geben und sie wird immer weiter laufen können so! Ja es ist gut!

Stefanie ist wie ausgewechselt! Sie hat eine Entscheidung getroffen, sie darf wieder leben. Sie kann nun wählen, frei entscheiden! Und vor allem sind die Tage mit denen sie mit Fritz zusammen arbeitet Vergangenheit. So kann auch zwischen ihnen nun etwas Neues entstehen. Er ist nur noch der Vater ihrer Kinder. Der Abstand wird ihnen beiden gut tun und sie hofft ganz fest, dass es einer Freundschaft förderlich sein wird. Sie beginnt den Tag voller Tatendrang und Freude. Was wird er ihr wohl bringen? Bereit die Wohnung zu verlassen greift sie ihr Handy und wirft kurz einen Blick darauf. Eine neue Nachricht. Sie ist von Wolfgang. Schön denkt sie, einfach schön, doch für einen neuen Mann ist es definitiv zu früh! Man soll erst etwas grünlich abschliessen bevor man das Neue anfängt. Sie antwortet ihm deshalb einfach neutral und  lässt es laufen. Heute ist viel los in der Firma. Da Hans noch keinen Ersatz für sie gefunden hat leitet sie die Sitzungen und versucht ihm soviel wie möglich zu vermitteln.

„Hast du schon jemanden in Sicht für meinen Job?“

„Du überlegst es dir auf keinen Fall noch anders?“ fragt er zurück.

„Ach Hans, ich muss es einfach abschliessen. Es ist schon etwas komisch vom Gefühl her doch ich möchte wirklich ganz neu anfangen mit etwas weniger Verantwortung.“

„Hätte ja sein können. Ich habe das Inserat heute aufgegeben. Es wird morgen erscheinen.“

„Dann hoffen wir doch das Beste!“

„Ja hoffen wir, gute Leute sind immer schwer zu finden.“

„Wem sagt du das, deshalb haben Fritz und ich es auch so lange immer noch alleine gemacht.“

„Können wir privat mal zusammen essen gehen?“

Sie schaut ihn erstaunt an. „Wenn du willst, klar doch!“

„Schön, dann schauen wir doch unsere Terminkalender an und verabreden uns.“

Sie muss lachen „ja gerne, sag es doch deiner Sekretärin“ nimmt sie ihn hoch!

„Du bist doch meine Sekretärin?“

„Au habe ich doch glatt vergessen!“

„Dann los, schau nach!“

„Was jetzt sofort?“ Sie macht ein paar Schritte zum Büro hin.

Hans folgt ihr nach und tritt ein. Sie blättert im Terminkalender.

„Schaut schlecht aus, Hans.“

„Zeig her“ ernimmt ihr den Kalender aus der Hand und schaut selbst.

„Na Morgen Abend geht doch prima, schau, meine letzte Sitzung ist um 18 Uhr fertig und du wirst so gegen halb sieben auch fertig sein. Dann können wir uns um acht treffen. Oder noch besser ich hole dich bei dir zu Hause ab.“

Sie schaut noch einmal auf die Agenda und nickt dann mit dem Kopf.

„Gut das könnte gehen, die Kinder sind Morgen Abend sowieso bei Fritz.“

„Na was sage ich, klappt doch hervorragend. Dann freue ich mich auf Morgen. Jetzt bin ich noch verabredet und den ganzen Nachmittag ausser Haus.“

„Dann viel Spass mit deiner Verabredung.“

Sie hat noch viel zu tun. Sie möchte ja ihre Arbeit sauber hinterlassen. Sie räumt Ordner um lässt Papier durch den Wolf, ordnet was sie sieht, damit eine Nachfolgerin etwas in der Hand hat womit sie dann auch arbeiten kann. Ihre Kleine ruft noch an um zu fragen wenn sie denn heim kommt. Ansonsten ist der ganze Tag sehr ruhig und sie ist voll in ihrem Element. Als sie die Bude verlässt ist es noch früh und sie freut sich auf die Kinder. Auch der Abend verläuft sehr harmonisch. Sie teilt den Kindern mit, dass Fritz und sie die Firma verkauft haben und dass sie nun schon bald mehr Zeit haben wird um für sie da zu sein. Es wird Nacht, Ruhe senkt sich auf die Stadt und auch in der Wohnung von Stefanie herrscht fast Stille. Die Kinder sind alle im Bett und Stefanie sitzt in der Stube und liest. Die Uhr tickt laut vor sich hin. Frieden kehrt im Herzen von der Frau ein sie hat es geschafft! Sie hat die Allee verlassen. Gedanken sieht sie Tadefi  an der Brüstung lehnen und ihr zulächeln. Es wird sicher wieder vorkommen, dass sie eine Weile auf der Allee gehen wird. Doch vorerst ist nun ein neuer oder mehrere neue Wege angesagt. Fritz und sie werden sich arrangieren. Sie hat eine neue Arbeit in Aussicht bei der sie mehr Zeit für sich und die Kinder haben wird. Sie kann sich sogar vorstellen wieder ihrem Hobby, dem Reiten nachzugehen. Sie schliesst das Buch und geht schlafen. Sie findet nun den Schlaf schnell und ist am Morgen schon viel besser ausgeruht. Alles kommt nun ins Lot! Schön zu leben, denkt sie noch, dann ist sie eingeschlafen.

Regula lebt jeden Tag ihr Programm und darin findet sie den Halt. Mit der Zeit werden ihre Medikamente etwas reduziert, doch niemand spricht von einem austreten. Ihre Seele ist noch zu verwirrt. Sie braucht den Rahmen, sie braucht die Hilfe. Sie betet von Neuem ihre Mantras und sie spürt wie diese ihre Kraft verstärken. Der Gedanke in den Alltag zurück zu kehren, ihrem kaputten Leben ins Gesicht zu sehen den vertreibt sie mit aller Kraft! Mit dem älteren Herrn führte sie schon das eine oder andere Gespräch und hat etwas Vertrauen zu ihm gewonnen. Heute ist mal wieder Besuchstag und Karl hat sich angekündigt. Es ist eine gute Weile her seit sie ihn das letzte Mal gesehen hat. Sie ist sehr gespannt wie er auf sie wirken wird und ist schon vorher nervös und aufgeregt. Sie kann kaum essen und doch spürt sie in sich mehr Widerstand und Aufbegehren. Sie ist jemand, sie hat das Recht zu sein! Endlich ist die Besuchszeit da und sie sitzt wartend am Tisch. Karl kommt auf sie zu, ihr Herz klopft schneller!

„Hallo mein Schatz“ begrüsst er sie etwas steif. Er hat keine Ahnung wie er denn mit seiner Frau, die in der Psychiatrie ist, umgehen soll!

„Hallo Karl“ begrüsst sie ihn ganz ruhig. Sie hat sich vorbereitet auf das Gespräch und weiss was sie sagen soll.

„Wie geht es im Geschäft?“

„Sieht gut aus, sieht echt gut aus. Wir können glaube ich verkaufen. Wir brauchen nur noch das ok der Bank. Doch reden wir von dir, wie geht es dir denn? Kommst du schon bald wieder heim? Wir vermissen dich sehr!“

Oh mein Gott! Sie hört ihn reden, sie sieht in da sitzen, doch in ihrem Kopf ist Leere. Sie hat sich so auf das Gespräch vorbereitet. Das er seinen ganzen Charme spielen wird, alle Register ziehen wird, das ist zuviel für sie!

„Ich….. mir geht es gut! Ich fühle mich wohl hier. Ja es gefällt mir hier. Wie geht es den Kindern?“

„Denen geht es gut mach dir keine Sorgen! Die sind erwachsen und wissen was sie tun! Sie würden dich gerne besuchen kommen?“

„Ja sicher, irgendwann, sicher.“

Pause

„Und du, arbeitest du immer noch so viel?“

„Du weißt doch, Arbeit ist mein Leben“ er lacht frei heraus. „Trinkst du diesmal den Kaffee mit mir zu Ende oder gehst du wieder vorher?“ er lacht sie an. Regula ist schockiert! Er hat einfach überhaupt keine Ahnung, einfach keine! Was soll sie denn noch hier? Es regt sie nur auf und er stört ihr harmonisches Leben! Sie steht auf und antwortet ihm: „Du bist dir der einzig wichtige Mensch. Dann sei auch mit dir alleine. Ich bin enttäuscht von dir. Trink den Kaffee mit wem zu willst, ich verabschiede mich und ich wünsche, dass du mich so lange in Ruhe lässt, bis ich soweit bin. Jetzt ist es eindeutig zu früh dazu. Also bleib bitte weg! Tut mir echt leid, Karl, aber ich muss gehen.“ Ohne seine Antwort abzuwarten geht sie schnell und bestimmt zur Türe heraus. Für Karl ist dieser Ausbruch so etwas von Unreal, das er erst einen Moment braucht um zu merken, dass seine Frau ihn sitzen liess! Das ist verletzend und es macht ihn wütend. Er hat das Gefühl das alle ihm Saal zu ihm schauen. Deshalb erhebt er sich langsam und geht dann wie wenn alles in Ordnung wäre aus der Türe. Regula schafft es gerade noch bis in ihr Zimmer bevor der Zusammenbruch kommt! Sie wirft sich aufschluchzend auf ihr Bett und lässt es strömen. Ihr ganzer Körper wird durchgeschüttelt! Langsam ebbt es ab und die Tränen laufen einfach so noch die Wangen herunter. Sie setzt sich auf und starrt an die Wand. -Jetzt ist er gegangen und sie ist alleine.- Sie erkennt, dass er immer nur in erster Linie an sich gedacht hat. Obwohl er für die Familie immer da war und auch ihre Bedürfnisse so gut er konnte erfüllt hat. Sie erkennt auch wie leer sein Leben sein muss und sie erkennt, dieses Leben ist vorbei. Diese Erkenntnis lässt sie noch einmal laut aufschluchzen und dann legt sie sich einfach aufs Bett und lässt sich treiben. Erst ein Klopfen an der Türe holt sie ins Jetzt zurück. Die Schwester bringt ihr die Medikamente.

„Könnte ich bitte noch extra etwas haben zur Beruhigung?“

„Sicher, ich hole ihnen gerne noch etwas.“ Sie schluckt schon mal was sie gebracht hat, wartet auf das Beruhigungsmedikament und legt sich dann wieder hin.

„Das Abendessen ist in einer halben Stunde“ mit diesen Worten geht die Schwester aus dem Zimmer. Das Medikament wirkt schnell. Ihre Gedanken werden langsamer, ein Nebel bildet sich und sie ist frei! Am anderen Tag bespricht sie mit ihrer Therapeutin die Situation mit Karl noch einmal.

„Welche Bedeutung hatte denn der Besuch ihres Mannes für sie?“ beginnt die Psychologin das Gespräch. Sie wartet bis die Gedanken zum Sprechen durchgedrungen sind. Manchmal mit der Medikamentenmenge die diese Patientin intus hat braucht es eine Weile.

„Ich hatte mich auf ihn gefreut.“

„Wie ich hörte sind sie vorzeitig vom Besuchstisch aufgestanden und gegangen. Können sie mir das erklären?“

„Aufgestanden ja ich bin aufgestanden weil Karl fragte ob ich den Kaffee zu Ende trinken werde. Er hat kein Recht und keinen Grund an mir zu zweifeln.“

„Deshalb sind sie gegangen?“

„Ja deshalb, ich wollte weg von ihm, es tat so weh ihn zu sehen.“

„Dann ist es ja wohl am Besten wenn wir für eine Weile auf seinen Besuch verzichten?“

„Sie brauchen sich keine Mühe mehr zu machen, ich habe es ihm schon gesagt. Ich sagte, dass er nur an sich denke! Ja“ Regula kichert etwas „das habe ich ihm tatsächlich gesagt!“

„Wie fühlen sie sich denn heute?“

„Heute, es geht mir gut.“ Kurze Pause „Es geht mir sogar sehr gut. Ich bin sehr klar in mir und ich weiss es war richtig.“

Die Sitzung geht dem Ende zu und Regula verabschiedet sich um sich in den Garten zu begeben. Dort wartet schon ihr Verehrer, wie sie ihn heimlich für sich getauft hat. Er hat sie mit seinen Ratschlägen schon viel weiter gebracht als diese diplomierten Menschen. Er kann aus dem Erfahrungsschatz seines eigenen Lebens schöpfen und findet immer wieder das Passende zum sagen wenn es darauf ankommt. Er sitzt schon auf der Bank unter der Birke. Er lächelt sie gewinnend an. „Schwerer Tag heute?“

„Ja schon, mein Mann war zu Besuch da.“

„Verstehe“ dann schweigt er und wartet. Sie sitzt neben ihm und schaut in die Ferne ohne etwas zu sehen. Ihr Leben geht weiter, jeder Tag kommt ohne eine Anstrengung ihrerseits. Sie weiss, irgendwann muss sie wieder da raus! Doch jetzt, ja jetzt ist sie noch da. Schweigend schauen sie in Gemeinsamkeit zu wie der Tag dem Ende zu geht, die Sonne färbt den Himmel ein. Wunderschön zum schauen. Manchmal ist es schwerer zu schweigen als zu reden! Da sich die Beiden im Schweigen so gut verstehen geht es ihnen mehr als gut. Regula hat hier in diesem fremden Mann eine Stütze für jetzt für ihr Leben erhalten und kann wieder etwas Vertrauen aufbauen. Das Leben selbst wird ihr den Weg nun weisen. Sie ist von der Allee herunter gelaufen und geht ihren Weg. Wie und was er ihr bringen wird, egal, Hauptsache sie lebt wieder!

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